Der Moloch: Roman (German Edition)
einen Karren geworfen. Er konnte sich nicht mehr erinnern, ob das tatsächlich geschehen war oder ob es ein Albtraum war. Seine Häscher hatten ihm auf den Kopf geschlagen, und das Einzige, was in seinem Schädel noch übrig geblieben war, schien der Kopfschmerz zu sein. Er erinnerte sich, dass man ihn in eine Kutsche geschleppt hatte, eine schwarze, geschlossene Kutsche. Er schloss die Augen so fest, dass es fast schmerzte, und versuchte, auch das Auge in seinem Kopf zu schließen. Aber immer noch winkten die beiden kleinen Jungen ihm zu, und immer noch lächelte seine Ehefrau müde. Aber jetzt waren die Gesichter der Jungen faltig und verzerrt, wie die Gesichter von bösartigen Kobolden, und als Marta ihre weichen Lippen öffnete, kam eine zuckende blutrote Zunge aus ihrem Mund, und Bartellus stöhnte auf.
Er spürte, wie sich etwas an seinem Fuß bewegte, und sein Bein zuckte heftig. Er hatte von Gefangenen gehört, die bei lebendigem Leib von Ratten gefressen worden waren, und ihn verließ der Mut. Er weinte in der Dunkelheit.
Indaro sprang an Land. Der Fels fühlte sich wundervoll fest unter ihren Füßen an. Rasch legte sie den Schwertgurt um die Hüften und sah sich um. Der Eingang der Höhle lag unmittelbar vor ihnen, jenseits einer Fläche aus scharfen Felsen. Er war niedrig und sehr breit, klaffte wie eine düstere Wunde in der Felswand, aus der ein dunkler Fluss strömte. Beim Gestank der Abwässer verzog sie unwillkürlich die Nase und lächelte grimmig. Eigentlich hatte sie gedacht, diesen Teil ihres Lebens ein für alle Mal hinter sich gelassen zu haben.
Als sie nach oben sah, erkannte sie in dem heller werdenden Licht des Morgens die Klippen von Kap Salient hoch über sich. Sie hoben sich dunkelgrau gegen das Morgengrauen ab. Das Haus ihres Vaters stand dort oben, aber von hier unten war es nicht zu sehen. Sie war ihm näher als seit vielen Jahren. Und doch wusste sie in diesem Moment, in einem Augenblick von trauriger Klarheit, dass sie es nie wieder sehen würde.
Sie schob diesen Gedanken beiseite, drehte sich um und sah, wie die letzten ihrer Männer das Boot verließen. Staker, der ganz hinten war, bewegte sich nur sehr unbeholfen. Ihre Gruppe bestand aus fünfundfünfzig Männern, einschließlich Elija, Garret und Staker. Der Rest waren Petrassi und Odrysianer; die Petrassi waren dunkelhäutige, schlanke Krieger – lautlose und gnadenlose Killer, hatte man ihr gesagt; die Odrysianer dagegen waren hellhäutiger und neigten zu überschäumendem Temperament. Sie hatten auf dem Boot gescherzt und herumgealbert, offenbar weder unter Seekrankheit noch unter Angst leidend. Indaro rief sich ins Gedächtnis, dass sie diese Männer noch vor wenigen Tagen als Blauhäute bezeichnet hätte, als Feinde. Und jetzt führte sie sie in den Kampf. Es gab bei ihnen keine weiblichen Krieger, und Indaro hatte in den Tagen auf dem Meer viele neugierige Blicke auf sich gezogen. Als sie noch auf dem Alten Berg gewesen waren, hatte sie sich gefragt, ob es klug war, ihr eine Abteilung von Männern zu unterstellen, aber Fell hatte darauf bestanden. Und Gil hatte letztlich keine Einwände dagegen gehabt.
Sie hatte Fell Aron Lee zum letzten Mal vor drei Tagen vor dem Paradies-Tor gesehen. Er hatte sich mit einem mürrischen Nicken von ihr verabschiedet und war dann allein zum Tor geritten. Sie und die anderen hatten kehrtgemacht und waren an der Mauer vorbei nach Norden gegangen, zum Hafen von Adrastto. Sie würden sich wiedersehen, im Fried des Palastes, falls das möglich war. Um die Mittagszeit am Tag der Zusammenkunft. Also morgen. Indaro wusste, dass ihre Mission darin bestand, den Kaiser zu töten und den Krieg zu beenden. Das war Fells Ehrgeiz. Ihrer jedoch bestand darin zu überleben, Fell wiederzusehen und dafür zu sorgen, dass er gesund und lebend entkam. Wenn sie den Kaiser töten musste, damit das gelang, hatte sie nichts dagegen. Sie würde durch die Gärten der Steine gehen und es mit jedem Krieger aufnehmen, der jemals gelebt hatte, wenn sie dadurch Fell retten konnte.
Sie sah, wie die ersten Kundschafter aus den Höhlen herauskamen. Sie kletterten über die Felsen an der Nordseite des Flusses. Sie sprachen kurz mit Gil Rayado, und er nickte. Dann winkte er Indaro, und sie trottete zu ihm.
» Die Route scheint frei zu sein. Es gibt weder Lichter noch Anzeichen für Bewohner. Und auch von Wachen ist nichts zu sehen.«
» Elija sagte doch, diese Strecke wäre nicht bewacht gewesen, als er hier war.«
»
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