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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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Volksmarkt, sein übliches Ziel. Er ging an den halb leeren Buden vorbei, in denen traurige alte Frauen ihre ärmlichen Waren feilboten, meistens Sesamsamen oder Haselnüsse. Sie jammerten ihm nach, er möge doch etwas kaufen, während ihm kleine Jungen aus umkämpften Bauernhöfen im Norden kleine Beutel mit Kartoffeln anzudrehen suchten für nur einen Pente pro Stück. Die Weinverkäufer waren verschwunden ebenso die Fleischhändler. In einem kleinen Pferch versuchte ein verzweifelter Kleinbauer, unterernährte, von Fliegen umlagerte Rinder zu verkaufen, seine letzte Habe.
    Der Volksmarkt war vor allem ein Ort der Information. Hier gab es nicht nur Klatsch und Tratsch, obwohl natürlich daran kein Mangel herrschte, aber im Laufe der Jahre hatte Bartellus gelernt, die Entwicklung des Krieges an den Nahrungsmitteln abzulesen, die in den Buden und Ständen angeboten wurden. Er sah zum Beispiel, dass heute der einzige, erhältliche Fisch Flussfisch war, was bedeutete, dass die Seerouten blockiert waren. Oder aber das Militär hatte die Fischerboote requiriert, um irgendeine zum Scheitern verurteilte Unternehmung zu starten. Jedenfalls musste es im Westen, zur Meerseite der Cité, eine Krise geben. Allerdings gab es viele Gewürze, Korima, Wildsamen und roten Ghurr, was darauf hindeutete, dass ein Boot aus dem fernen Süden oder Westen angekommen war. Wahrscheinlich vor zwei oder drei Tagen. Also musste die Krise, die dafür sorgte, dass die Cité keinen Fisch mehr hatte, erst am Tag zuvor eingetreten sein.
    Diese Information war ziemlich interessant für ihn, und er dachte über den Zustand der Armeen und der Cité nach, die von allen Seiten von Feinden belagert wurde. Danach fragen konnte er allerdings niemanden. Seit Emly und er vor acht Jahren aus den Hallen aufgetaucht waren, hatte er so unauffällig wie möglich gelebt. Für die Armen des Arsenals war er der Alte Bart, der Vater der Glasmacherin. Niemand stellte seine Geschichte infrage. Als alter Mann war er so gut wie unsichtbar, und genauso wollte er es auch halten.
    Er kaufte zwei Laibe Brot, noch warm und frisch aus dem Ofen. Der Preis dafür war höher als je zuvor, was bedeutete, dass es schwieriger geworden war, an Getreide zu kommen. Und die Bäckerei wurde von Männern mit Knüppeln bewacht. Bartellus knabberte an einem der Brotlaibe, während er zwischen den Buden des Marktes herumlief, und verbarg den anderen unter seinem Mantel. Dann kaufte er einen Beutel mit getrockneten Feigen und einen Beutel roten Reis. Anschließend feilschte er mit einem stämmigen Bauern aus Garamund um einen Korb grüner Äpfel. Sie waren selten und teuer, aber er wusste, dass Emly sie liebte. Er gab einem Straßenjungen einen Pente, um den Sack mit den Lebensmitteln zum Haus des Glases zu tragen. Er versprach ihm, dass Frayling ihm noch einmal dasselbe zahlen würde, wenn er ihn dort ablieferte.
    Der Junge rannte davon, den Korb unter einem Arm und den Rest der Lebensmittel an seine schmächtige Brust gedrückt. Bartellus zweifelte nicht daran, dass er sich einen oder zwei Äpfel nehmen würde, aber das machte ihm nichts aus. An den Maßstäben dieser Welt gemessen war Bartellus ein reicher Mann, obwohl er sich sehr viel Mühe gab, das zu verheimlichen.
    Er dachte erneut an ihren bevorstehenden Besuch im Haus des Kaufmanns und runzelte die Stirn. Er glaubte, was er gesagt hatte. Er hielt es für richtig, dass Emly sich um den Kaufmann kümmerte, und er würde mit ihr gehen. Er war stolz auf seine Adoptivtochter und wollte, dass ihr Talent Anerkennung fand. Er glaubte, dass sie in zehn Jahren, vielleicht sogar schon in fünf, Glasfenster für den Palast des Kaisers schaffen könnte. Das hatte er ihr auch gesagt. Aber er hatte ihr nicht gesagt, dass er sie dorthin nicht begleiten würde. Falls er überhaupt so lange am Leben blieb. Aber er konnte sein Gesicht nicht mehr im Roten Palast sehen lassen.
    Es gab jedoch noch einen anderen, wichtigeren Grund, aus dem er wollte, dass das Talent seiner Tochter von mächtigen Leuten erkannt wurde. Sie war fünfzehn, vermutete er, vielleicht schon sechzehn. Sie brauchte einen mächtigen Patron, der verhinderte, dass sie zum Militär eingezogen wurde. Dieser fette Weinhändler war zweifellos kein solcher Mann, aber eine Empfehlung von ihm könnte vielleicht einflussreiche Verbindungen knüpfen.
    Was den Kaufmann selbst anging, so hatte er keine Bedenken. Er schien ein durchaus angenehmer Zeitgenosse zu sein, allerdings nicht besonders

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