Der Monat vor dem Mord
fand heraus, dass die Menge an Enzymen und Fermenten immer die gleiche, dass aber jedes Gehirn anders gebaut war. Bei einigen lagerten diese Stoffe unmittelbar an der Wand des Hirns, bei anderen wiederum bildeten sie einen Zellkern, der exakt in der Mitte schwamm.
»Es ist zum Kotzen«, sagte er laut. Dann rief er: »Maria! Komm doch mal runter!«
Er hörte ihre zögernden Schritte auf der Kellertreppe, wahrscheinlich waren ihre Beine steif vom Sitzen vor dem Fernsehapparat. »Was ist denn?« Sie wirkte verschlafen und ein wenig zärtlich. Er hatte sie gerufen, und das geschah nicht oft.
»Du weißt noch eine Menge«. sagte er, »du weißt noch von früher eine Menge. Ich bin zu blöde!«
Das hatte er noch nie gesagt. »Ich bin einfach zu blöde. Wahrscheinlich sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Das hier ist eine Steuerungszelle. 95 Anteile Wasser, der Rest sind Fermente, Enzyme, Spurenelemente in ganzgeringen Dosen. Und wir kommen nicht ran an dieses kleine Hirn.«
»Wieso nicht?«, fragte sie. Es war ihre Chance. Großer Gott, sie hatte ihre Chance. Er sagte, er sei blöde, und es war so einfach. Es war etwas für einen Abiturienten. Sie hatte ihre Chance.
»Was bekomme ich für die Lösung?«, fragte sie.
»Zwanzigtausend Mark.«
»Von dir?«
»Von mir. Ich werde Geld genug haben, wenn ich es schaffe.«
Er hatte nicht gemerkt, dass er einen schweren Fehler beging. Er hatte nicht darauf geachtet, was er sagte.
»Ich will kein Geld«, sagte sie, obwohl sie sein Versprechen ernst nahm und überlegte, wie er ihr so etwas versprechen konnte. »Ich will dich.«
»Na gut«, sagte er. »Von mir aus.« Es war idiotisch. Sie konnte doch so eine komplizierte Sache nicht aus dem Ärmel schütteln.
»Entferne das Wasser aus dem Gehirn, und es kann nicht mehr denken«, sagte sie.
»Wie bitte?«
Sie war heiter, sie war ausgelassen. »Wenn dieses Ding zu 95 Teilen aus Wasser besteht, dann brauchst du doch bloß das Wasser abzuzapfen. Und womit zapft man Wasser ab?«
»Mit hygroskopischen Stoffen«, murmelte er. Um Gottes willen, wie hatten sie daran vorbeilaufen können?
»Wie viele solcher Stoffe gibt es?«, fragte sie. Sie kostete jede Sekunde dieser Chance.
»Ziemlich viele«, sagte er. »Vor allem ist da ...«
»Natron«, murmelte sie. »Natronlauge. Die Kristalle der Natronlauge, begreifst du?«
»Ja«, sagte er. Dann küsste er sie. Es war kein Kuss, es war eine Belohnung, und sie kassierte ihn wie eine Belohnung.
»Du bist gut«, sagte sie.
»Wie bitte?«, fragte er. Er wirkte verstört.
»Du küsst mich gut für zwanzig Ehejahre.«
»Ja, ja«, sagte er. Dann stieß er sie zur Seite und rannte die Kellertreppe hoch.
Ocker meldete sich verquollen. »Verdammt noch mal, lass mich doch wenigstens schlafen.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Horstmann. Er war sehr heiter. »Ich hole dich zu Hause ab, wir fahren in den Betrieb und arbeiten bis morgen früh durch. Dann haben wir den Stoff.«
»Du bist verrückt«, sagte Ocker. »Ich bin besoffen.«
»Trink einen Kaffee«, sagte Horstmann. »Ich habe nämlich eine Idee. Es ist die Zelle am Kopfende.«
»Das weiß ich«, sagte Ocker, »das steht doch im Bericht der Biologen, das ist kalter Kaffee.«
Horstmann lachte. »Ich weiß. Überleg’ einmal, was mit einem Regenwurm geschieht, der in der prallen Sonne auf einem Stein liegt.«
»Er vertrocknet.«
»Er vertrocknet«, wiederholte Horstmann begütigend. »Und nun versetz dich mal in die Lage dieser verdammten starken Zelle. Was passiert, wenn die auf einem Stein liegt?«
»Sie trocknet ein«, sagte Ocker widerwillig interessiert, »aber sie bleibt erhalten.«
»Und angenommen, du entziehst ihr das Wasser auf einen Schlag? Ich meine ruckartig?«
»Du bist verrückt. Wir brauchen mindestens vier oder fünf Monate Versuchsreihen. Wir sind doch keine Autoreparaturwerkstatt.«
Horstmann murmelte: »Ich will morgen früh dem Alten ein Ergebnis vorlegen. Ich brauche dich. Ich hol dich ab.« Er hängte ein, und er war seiner Sache sehr sicher.
Natürlich stand Ocker schon vor dem Haus. Er sagte: »Woher nimmst du die Sicherheit, das Zeugs heute Nacht noch zu finden?«
Horstmann benahm sich ein wenig albern. »Ich habe keine Gewissheit, ich habe eine Spur. Und meine Nase ist gut.«
Ocker hockte sich seufzend auf den Nebensitz und war augenblicklich wieder eingeschlafen, Horstmann fuhr durch die Nacht und dachte: Wenn ich es finde, werde ich mich besaufen und irgendeine schweinische Hure
Weitere Kostenlose Bücher