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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Horstmann hinzu: »Sondern Sie einen kleinen Klumpen heraus, nehmen Sie da drüben einen kleinen Kiefernzweig und legen Sie ihn auf den Boden. Dann setzen Sie die Würmer an.«
    »Jawohl, Herr Doktor«, sagte Praktikant Bachmann.
    Horstmann beobachtete ihn leicht amüsiert. Er spürte den Anisschnaps wie eine wohltuende Beruhigungstablette und pfiff irgendeinen Schlager vor sich hin. »Wie alt sind Sie?«, fragte er.
    »Vierundzwanzig.«
    »Und Ihre Freundin?«
    »Neunzehn«, sagte Bachmann.
    »Gehen Sie oft mit ihr ins Bett?« Horstmann wusste im gleichen Augenblick, dass das eine dümmliche Frage war.
    Bachmanns Kopf kam hoch. Er war jetzt erstaunt. »Na, so wie jeder das macht. Mal ja, mal nein. Es kommt darauf an.«
    Horstmann suchte nach einer halbwegs glaubhaften Erklärung für dieses Verhör. »Ich habe eine Tochter, wissen Sie, die ist siebzehn. Und ich bin mir nicht darüber im klaren, ob ich sie nun auf die Menschheit loslassen kann oder nicht.«
    Bachmann lächelte wohlwollend. »Wenn Sie sie nicht einschließen, wird sie das selbst besorgen. Wenn sie hübsch ist, hat sie es vielleicht schon selbst besorgt.«
    »Nein, nein, das hat sie nicht«, entgegnete Horstmann schnell. »Ich bin weiß Gott freizügig, aber sie war bisher einfach zu scheu. Nun verliert sich das langsam.«
    Bachmann beschäftigte sich wieder mit den Würmern. Er sagte: »Ich war mal zu Silvester besoffen, entschuldigen Sie, stark angetrunken. Und morgens habe ich mir ein Mädchen geschnappt. Die war verrückt wie eine Hummel, wie wir so sagen. Sie war die Tochter des Gastgebers und vierzehn Jahre alt.«
    »So was!«, sagte Horstmann.
    »Ich habe jetzt hundert angesetzt«, sagte Bachmann. Zum ersten Mal sah er Horstmann bewusst an und bemerkte sofort, dass Horstmann sich in einem desolaten Zustand befand. Er fragte direkt, aber immer noch respektvoll: »Haben Sie eine tolle Nacht hinter sich?«
    »Man kann es so nennen. Nehmen Sie jetzt die Sprühdose da und sprühen Sie die Tiere an! Halten Sie die Dose dabei hoch über ihren Kopf!«
    »Mach’ ich.« Bachmann sprühte die Tiere an und fragte: »Ist das ein Isolationsmittel?«
    »Nein, nein, ein bisschen mehr ist es schon.«
    Bachmann stand still und beugte den Kopf vor. Er konzentrierte sich auf einen besonders großen Wurm, der sich zusammenzog und dann lang ausstreckte, als wollte er schlafen. »Ist das eine Betäubung?«
    »Nein. Exitus«, sagte Horstmann zufrieden.
    »Ein schweres Gift?«, fragte der Junge.
    »Nicht sehr«, sagte Horstmann. »Für Menschen unschädlich. Aber ich weiß noch nicht, wie Tiere reagieren. Und ich weiß noch nicht, wie die Kiefern reagieren. Es entzieht der Zentralstelle in einer Minimalzeit sämtliche Flüssigkeit.«
    Bachmann kniete sich auf den Boden und starrte auf die Würmer, die sich je nach individueller organischer Zähigkeit in einer Kettenreaktion wanden und dann ausstreckten, um nicht mehr zu sein. »Was ist das für ein Mittel?« Er schien noch immer nicht ganz begriffen zu haben, was vor sich gegangen war.
    »Es ist für die Fresser ein tödliches Mittel«, sagte Horstmann. »Ich habe es heute Nacht gemacht.«
    Bachmann stand sehr schnell auf, so dass er ein wenig schwankte. Sind die wirklich tot?«
    »Natürlich«, sagte Horstmann belustigt, »bezweifeln Sie es?«
    Bachmann wurde ein wenig verlegen. Er sagte: »Es könnte doch sein, dass sie in einer Art Tiefschlaf dahindämmern, um dann plötzlich wieder zu leben und zu fressen.«
    »Aber nicht doch«, sagte Horstmann arrogant. »Sie erinnern sich doch an die sehr stark pulsierende Zelle dicht vor den Greifzangen?«
    »Ja.«
    »Dann sehen Sie durch das Mikroskop da.« Es bereitete Horstmann Freude, einen richtig stämmigen Befehlston anschlagen zu können.
    Bachmann ging langsam zu dem Mikroskop hinüber, schaltete die Lampe unter dem Objektträger ein und starrte durch die wundertätigen Prismen. »Die Zelle ist nicht mehr da«, sagte er leise. »Ist das das Mittel?«
    »Ja«, sagte Horstmann. »Das ist es.«
    Der Praktikant war augenblicklich verschüchtert, er hatte geradezu Angst, »Aber man kann doch nicht in so kurzer Zeit ein solches Mittel finden. So was gibt es doch gar nicht. Wie war das mit dem Flüssigkeitsentzug?«
    Er zündete sich eine Zigarette an, sah die Flasche mit dem Anisschnaps und fragte: »Darf ich einen trinken?«
    »Sicher«, sagte Horstmann. »Sie haben es nötig, was?«
    »Ja.« Bachmann wirkte sehr jungenhaft. »Ich werd’ verrückt. Sie haben die Würmer

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