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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Gebrauchtwagenhändler. Das war ein wenig abstoßend.
    »Ich freue mich«, sagte sie. »Sie waren noch nicht hier?«
    »Nein«, sagte Horstmann, »ich bedaure es. Aber ich wusste nicht, dass es so etwas überhaupt gibt.« Er durchlebte einen beklemmenden Zustand, als er in ihre Augen sah, die sehr klug schienen und sehr misstrauisch. Und er hatte den Eindruck, als zöge sich sein Zwerchfell nach oben gegen das Herz.
    »Es ist auch nicht gut, wenn alle Welt das weiß«, sagte sie offen, »ich habe sowieso genug damit zu tun, manche Gäste hinauszuwerfen.«
    »Was sind das für Leute?«, fragte Horstmann.
    »Das sind die, die betrunken hier hereinkommen und meinen, sie wären in einem Freudenhaus. Sie fummeln an den Mädchen herum wie Schaufensterdekorateure an ihren Puppen. Und meistens haben sie schweißnasse Hände. Das ist widerlich.«
    »Das ist es«, sagte Horstmann. Er zeigte ihr ein vollkommen glattes Gesicht. Sie war hübsch, sehr hübsch sogar. Undsie sah so aus, als sei sie ziemlich abgebrüht. Aber das musste sie auch sein bei dieser Art von Lokal. Sie behandelte ihn, wie man einen potenziellen Stammkunden behandelt. Sie war neugierig, aber sie zeigte es nicht allzu sehr. Sie wusste durch Ocker, dass er Wissenschaftler war und so etwas wie ein leitender Mann. Und also war ihr Benehmen vollkommen in Ordnung.
    »Sie werden etwas trinken wollen«, sagte sie.
    »Einen Wodka«, sagte Horstmann. Er dachte: Du kannst mich ruhig anstarren. Du wirst nicht herausfinden, wer ich bin. Ich habe gesehen, dass du ziemlich wild bist auf neue Männer in deinem Bett. Man sagt immer, die Frau sei ein geheimnisvolles Rätsel. In den letzten Jahren kommt mir das nicht mehr so vor. Wenn ihr geil seid, dann zeigt ihr es auch. Meistens jedenfalls. Und du kannst geil sein. Du kannst mir ja zeigen, wie sehr du es sein kannst.
    Ocker sagte: »Da vorn ist Renate, ich gehe zu Renate.«
    »Geh nur«, sagte Horstmann. Er sah hinter Ocker her, wie der auf eine junge Frau zuging und einen ziemlich lauten Begrüßungswirbel veranstaltete.
    »Herr Ocker ist sehr nett«, sagte Karin. Dabei beobachtete sie Horstmann unentwegt. Es war jedoch keine tiefschürfende Neugier. Es war, als versuche sie ihn einzustufen, um ihn dann abzuheften.
    »Das stimmt«, sagte Horstmann. Es war nicht leicht, ihren Augen auszuweichen. Und sie machte ihn unsicher. Man muss alles lernen, dachte er heiter. Sie stellte ein Glas vor ihn hin. »Ein Doppelter? Bei uns ist ein Einfacher vier Centiliter.«
    »Zehn Centiliter«, sagte Horstmann und sah sie an und lächelte und entdeckte in ihrem Gesicht nichts als Freude oder Vergnügen oder Spaß oder wie immer man das nennen konnte.
    »Wollen Sie sich etwa betrinken?« Sie lachte.
    »Nein«, sagte er, »ich trinke gewöhnlich, ziemlich gewöhnlich. Ich bin weder ein mäßiger Mann noch ein Säufer.« Er sah auf die Paare, die tanzten, und er war zufrieden, dass es eine Frau wie Karin gab, obwohl er noch sehr weit von ihr entfernt war. Aber es war eine Frage der Taktik.
    »Sind Sie traurig?«, fragte Karin.
    Horstmann schien es so, als fragte sie das selten. Sie hatte die Frage nicht sehr flüssig gestellt, eher stockend und voller Neugier. Er sagte sich, dass es gut wäre, schnell ein Rezept entwickeln zu können. Er antwortete: »Ich bin weder traurig noch sentimental noch melancholisch. Ich werde Ihnen auch nicht von der Frau erzählen, mit der ich verheiratet bin und die nichts taugt. Und ich werde Sie auch nicht mit Kindern langweilen, mit denen ich nicht fertig werde. Ich bin hier, weil ich zu viel gearbeitet habe und Leute um mich brauche, die nichts tun und nur lachen. Das ist alles.«
    »Das klingt gut«, sagte sie. »Aber Sie tragen keinen Ehering.«
    In Horstmanns Augen war das eine etwas kindliche Feststellung, aber vermutlich reihte sie ihn in die große Schar jener Männer ein, die ein solches Lokal nur dann besuchten, wenn sie keinen Ehering trugen und auch keinen weißen Streifen dort hatten, wo der Ring normalerweise saß. Er entschloss sich schnell, ihr die Wahrheit zu sagen, weil sie gut in sein Verhalten passte. »Ich bin seit zwanzig Jahren verheiratet, habe zwei fast erwachsene Kinder und trage keinen Ehering, weil ich dauernd mit Giften und Säuren umgehen muss. Ich trage jeden Tag Lederhandschuhe, Asbesthandschuhe und Gummihandschuhe. Es ist wie bei einem Chirurgen oder einem Hochofenarbeiter.«
    »Ach so ist das«, sagte sie. Er war wirklich ein Außenseiter. Sie fand keinen rechten Platz für

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