Der Monat vor dem Mord
unterrichtete jetzt. »Du darfst hier niemals Geld anbieten. Wahrscheinlich wird auch keine Geld von dir verlangen, aber sie hoffen natürlich, dass du es ihnen auf den Nachttisch legst. Sei nicht knauserig!«
»Du kannst eine Frau für ein paar Wochen oder Monate ganz allein für dich haben, oder jedenfalls fast. Karin animiert die Frauen auch nicht. Sie bestellen sich auch keinen Bananenflip für zwanzig Mark das Stück oder eine Flasche Pommery für einhundertachtzig. Du kannst Bier trinken, wenn du willst, und auch Whisky. Und der Whisky, den du kriegst, ist sauber und ohne Wasser. Und auch der Whisky, den die Frauen trinken, ist sauber. Das istkein Nepp hier, verstehst du! Es ist eine teure, solide Angelegenheit.«
»Wo spielt sich denn das andere ab?«, fragte Horstmann. Er war jetzt aufgeregt.
»Nicht hier«, sagte Ocker. »Karin vermietet keine Zimmer oder so was. Du musst mit dem Mädchen schon irgendwohin fahren. Die meisten werden dich mitnehmen in ihr Appartement. Geh nie in ein Stundenhotel. Das lehnen sie alle ab. Es ist wirklich sehr solide.«
»Und Polizei?«, fragte Horstmann. Der Gedanke an eine mögliche Razzia, von der er nur nebulöse Vorstellungen hatte, störte ihn.
Ocker lachte: »Polizei kommt nie hierher. Die sind doch froh, so was Solides wie Karin zu haben. Karin müsste das Bundesverdienstkreuz kriegen, wenn du mich fragst.«
»Also los«, sagte Horstmann. »Soll ich dir Geld geben? Ich habe dich eingeladen.«
»Ich nehme es an«, sagte Ocker und lachte.
Horstmann gab ihm dreihundert Mark und sagte: »Es ist jetzt elf Uhr. Ich denke, wir machen es so: Ich rufe später bei mir zu Hause an und sage, es dauert lange. Morgen früh um acht treffen wir uns hier vor dem Haus. Du musst ein Taxi nehmen und steigst dann hier um in meinen Wagen.« Es war so eine Verabredung, wie sie unter Männern üblich ist.
Das Lokal war eigentlich kein Lokal. Horstmann fand, dass es eher an ein Sanatorium erinnerte, an ein Privatsanatorium. Es gab weder so etwas wie einen Schankraum, noch einen Korridor, noch irgendwelche Schilder wie »Zur Bar« oder »Zu den Toiletten«. Man kam durch die Tür und stand in einem großen, mit vielen Teppichen ausgelegten Raum, in dem etwa hundert Menschen in sehr heiterer Stimmung anihren Tischen saßen und miteinander sprachen, tranken oder aßen.
Horstmann war sofort fröhlich, und das Aufgeregtsein blieb. Er setzte sich hinter Ocker und sagte ganz ruhig: »Gibt es hier eine Bar?«
»Aber ja«, sagte Ocker. »Die Treppe da hinten rauf. Willst du erst einen Schnaps?«
»Das möchte ich.«
Die meisten der Frauen waren tatsächlich hübsch, und es gab einige Tische, an denen zwei oder auch drei Frauen mit nur einem Mann zusammensaßen und sich angeregt unterhielten. Erst dann entdeckte er, dass einige der Frauen ihre Brüste entblößt hatten, und er wunderte sich darüber, dass ihn das nicht im mindesten erschreckte, nicht einmal erstaunt machte. Sie sahen alle so aus, als benutzten sie ihre Brüste, um die Männer ordentlich aufzuregen, und als seien sie froh, in aller Ruhe und Seriosität zeigen zu können, wie hübsch sie waren.
»Wie ist das?«, fragte Ocker in einem Ton, als habe er die Szenerie eigens für Horstmann gebaut.
»Hervorragend«, sagte Horstmann, »warum hast du mir das nicht eher gezeigt?«
»Ich wusste nicht, dass du so was wolltest«, sagte Ocker. »Das da ist die Bar.«
Es war ein großer Raum mit einer sehr langen Theke und einigen kleinen Tischen. Im Hintergrund machten drei Leute eine angenehme, schwingende Musik. Sie setzten Bach sehr gut in elektronische Sequenzen um. Die Musik biederte sich nicht an, sie war einfach da. Einige Paare tanzten, und einige der tanzenden Frauen trugen auch hier ihre Brüste entblößt. Das alles wirkte auf Horstmann heiter, gar nicht verdorben.
»Das ist Karin«, sagte Ocker.
»Guten Abend, Karin!« Die Frau war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, sicher nicht älter. Sie hatte ein hübsches, ovales Gesicht in einem Rahmen aus mondgelbem, langem Haar. Sie war nicht einmal stark geschminkt. Sie sagte mit einer vollkommen ruhigen Stimme: »Herr Ocker! Ich freue mich.«
»Das ist Doktor Horstmann«, sagte Ocker, »unser Chef in der Forschungsabteilung.« Er konnte es einfach nicht lassen, damit anzugeben, dass Horstmann etwas ganz Besonderes war.
»Guten Abend, gnädige Frau«, sagte Horstmann. Sie trug ein ganz normales Kleid mit einem ganz normalen Ausschnitt und wirkte geschäftstüchtig wie ein
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