Der Mond bricht durch die Wolken
was Stärkeres dabei?«
Fens Herz verhärtete sich daraufhin ein wenig, zumal er vermutete, daß Enoch seine Beschwerden gewaltig übertrieb. Seine eigentliche Sorge galt dem Major. Es mochte durchaus sein, daß der Arme mit einem gebrochenen Bein unter Xanthippe lag und seine Hilferufe ungehört verhallten.
Fen beschloß, Enoch eine letzte Chance zu geben.
»Sie müssen versuchen, aufzustehen«, sagte er. »Sie müssen das Bein belasten.« Und als Enoch den Mund öffnete, um gegen die damit verbundenen Qualen zu protestieren, fügte er hastig hinzu: »Nicht mit Ihrem ganzen Gewicht. Nur teilweise. Sonst kommen wir nie dahinter, ob Sie sich den Knöchel gebrochen haben oder nicht.«
»Gibt ja Röntgenaufnahmen.«
»Die gibt es. Aber nicht hier, verstehen Sie?«
»Wissen Se nich’, wie das is’, wenn man ‘ne ausgedörrte Kehle hat, Chef? Das is’ schlimmer als die Schmerzen, un’ die sin’ – «
»Schrecklich. Ja, gewiß… Ich will Ihnen etwas sagen«, erklärte Fen plötzlich. »Ja, ich will Ihnen sagen, was wir tun sollten. Wir sollten Sie zu einem Arzt bringen.«
»Kann mich nich’ bewegen.«
»Dann holen wir einen Arzt hierher. Ich gehe ein Telefon suchen und veranlasse das.«
»Aber, Mr. Powell, wie soll ich denn einen Arzt holen, wenn – «
»Alle lassen mich im Stich.«
Fen verlor die Geduld.
»Ich auch«, sagte er und machte sich, verfolgt von Enochs herzzerreißendem, langsam verklingendem Flehen, mit schnellen Schritten in Richtung Burraford auf den Weg, weit hinter allen anderen. Als er an dem Kombiwagen vorbeikam, dessen Insassen noch immer einander zu schmähen schienen, überlegte er kurz und nicht zum erstenmal, ob er Mr. Dodd bitten sollte, seine pharmazeutischen Kenntnisse bei dem kränkelnden Kuhknecht anzuwenden. Er entschied sich aber erneut dagegen: Mr. Dodd war im Augenblick keinesfalls in der Stimmung, seine scharfen Zurechtweisungen aufzugeben, sogar auch nicht, wenn der Patient, der seine Aufmerksamkeit benötigte, mit dem König des Schreckens selbst gerungen hätte.
Fen ließ sie hinter sich und verlor sie aus dem Ohr, als er die erste Biegung hinter sich hatte.
Er begann zu laufen.
12. Kapitel
Glückseligkeit war es, in diesem .Morgengrau’n am Leben nur zu sein
Es gibt… einen Strom starker, ausfließender Elektrizität.
Anthony Carson, >A Train to Tarragona<
1
Die Szene wechselt jetzt dramatisch zu einer Stelle ungefähr drei Viertel des Weges weiter nach Burraford, wo Jack Jones auf seinen Kissen liegt, um sich von der Anstrengung des Jagdtreffens zu erholen, wo Isobel Jones den Zapfhahn in ein Faß eines der wenigen im Land noch trinkbaren Ale-Biere schlägt und Mrs. Clotworthy eine Steak-Nieren-Pastete mit dicker Fettkruste backt zu einer Stelle nämlich, wo der Pisser hinter der Hecke steht und mit seinen Geräuschen nicht nur die vorbeikommenden Einheimischen, sondern sogar Fremde erschreckt, die von seinen Gewohnheiten nichts wissen, aber instinktiv spüren, daß mit dem Ding nicht alles seine Ordnung hat. Im Augenblick jedoch ist der Pisser stumm, und mit der Ausnahme einer einzigen Leitung buchstäblich entspannt; alles ist Geruhsamkeit und Frieden; der Lärm aus der Richtung Glazebridge ist hier nicht zu hören, und selbst wenn er vernehmbar wäre, würde er wenig Aufmerksamkeit erregen, da die Landschaft voll unerklärlicher Erscheinungen ist, akustischer und anderer. Sich über jede einzelne den Kopf zu zerbrechen, würde den Verstand notwendigerweise unter Ausschluß aller anderen Dinge beanspruchen. Und von den vier anwesenden Personen hat in der Tat nicht eine die geringste Aufmerksamkeit für etwas anderes als die Sorgen und Probleme ihrer unmittelbaren Umgebung zu erübrigen; ja eine davon scheint selbst diesen keinerlei Augenmerk zu widmen.
Die beiden Ingenieure vom E-Werk sind angestrengt an der Arbeit. Die Mützen ganz ungesund bis zu den Ohren herabgezogen, mühen sie sich, den Pisser und sein Verhalten zu verstehen und seinen derzeitigen Ruf als Schreckgespenst zu heilen oder wenigstens zu verändern. Zwischen dem Pisser und der Hecke haben sie einen sehr viel kleineren Mast errichtet und auf irgendeine Weise fest im Boden verankert so, als wären die Geräusche des Pissers von Wehenschmerzen hervorgerufen gewesen und er hätte endlich kalben können und eine genaue Entsprechung dieses Objekts steht auf der anderen Seite der Straße (Zwillinge also, einer davon bei der Geburt weiter geworfen als der andere). Zwischen
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