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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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kahlköpfige Junge zu ihr, »oder ich geb’ dir eine aufs Ohr, die du nicht so schnell vergißt.«
    »Kapitalistische Lakaien!«
    Der kahlköpfige Junge griff hinaus, packte sie am Handgelenk und riß sie, während sie aufquietschte, ins Fahrzeug, wo er ihr eine Ohrfeige gab eine so kräftige, daß vorübergehend nachdenkliches Schweigen herrschte –, die Tür zuwarf und den Kombiwagen sofort in Richtung Burraford zu lenken begann. Fen setzte sich neben dem untröstlichen Mann im Kaftan auf die Böschung; der Jäger mit dem mächtigen Bart ergriff Miß Mimms’ Zügel und stieg wieder auf sein eigenes Pferd; Widger und Ling liefen zum Cortina zurück; die Motorradfahrer jubelten, und ihr Anführer, der die wohlverdiente Strafe für die Jagdsaboteuse mit Anerkennung verfolgt hatte und vorgetreten war, um dem kahlköpfigen jungen Mann herzlich die Hand zu drücken, was ohnehin wohl nicht gut aufgenommen worden wäre, war gezwungen, zu seiner Maschine zurückzukehren und so zu tun, als hätte er das von Anfang an tun wollen. Mit der Abfahrt des Kombiwagens wurde der Blick auf Enoch frei, der sich unter Ausschluß aller anderen Dinge noch immer allein mit seinem persönlichen Kummer beschäftigte. Ein gräßliches Gemisch von Gerüchen erfüllte die Luft – Pferdedung, Auspuffgase, Kuhdung. Der Major auf Xanthippe war längst außer Hörweite, und nicht einmal sein Wehklagen über die Schmerzen in der arthritischen Hüfte beim Aufprall auf hartem Boden war noch vernehmbar.
    Es zeigte sich, als der Kombiwagen am Haus des Pfarrers vorbeigefahren war, rasch, daß Rankines Basteleien die Bremsen nicht nur gelöst, sondern gänzlich unbrauchbar gemacht hatten. Die Straße fiel hier ein wenig ab, und um sein Fahrzeug unter Kontrolle zu bringen, war der kahlköpfige junge Mann gezwungen, zuerst so schnell wie möglich herunterzuschalten und dann zum Stehen zu kommen, indem er zugegebenermaßen nicht mit einer lebensgefährlichen Geschwindigkeit in die Böschung fuhr. Die Polizeiautos zwängten sich an ihm vorbei und fegten davon. Der Mann im Kaftan stemmte sich auf die Kruppe des Pferds, auf dem bereits der Bärtige saß; Miß Mimms folgte den beiden. Die Motorräder sprangen an und bogen nach links ab, wo der Mini abgestellt gewesen war und Alan Tully zuletzt seine Kühe aus dem Weg geräumt hatte. Nach langer Zeit hörte man ein Tuckern, und Scorer, seiner Nicht-Gefährdung endlich sicher, kam mit etwa zwanzig Meilen Stundengeschwindigkeit in Sicht, um weit abgeschlagen hinter seinen Motorsportkameraden zu verschwinden. Die drei Insassen des wieder stationären Kombiwagens waren hörbar in einen heftigen Streit über irgendein Thema geraten, wobei die Jagdsaboteuse das große Wort führte. Fen ging hinüber zu dem jetzt verlassenen Enoch, Clarence Tullys drittem Kuhknecht.
    »Alles in Ordnung?« fragte er.
    »Nö. Hab’ mir das verdammte Bein gebrochen. Und wo ist der Junge, das möcht’ ich wissen. Er hätt’ sich um mich kümmern müssen. Aber so sind sie heutzutag’ alle kein Herz.«
    »Ach, ich glaube nicht, daß es ganz so schlimm ist«, meinte Fen tröstend. Er meinte Enochs Bein, nicht die Gefühllosigkeit der jungen Leute. »Haben Sie versucht, es zu belasten?«
    »Trau’ ich mich nicht.«
    »Nun, Sie werden es nie erfahren, bis Sie sich trauen«, sagte Fen mit einer Spur von Ungeduld.
    »Sie, Meister – «
    »Hm?«
    »Harn Se vielleicht einen Tropfen Wasser dabei?«
    Fen versuchte, sich oder auch sonst irgend jemanden vorzustellen, wie er mit einer kleinen Flasche schlichten Leitungswassers in der Tasche durch die Gegend lief, und scheiterte.
    »Nein, habe ich leider nicht.«
    »Meine Kehle is’ ganz trocken, ‘s is der Schock, wissen Se.«
    »Ja, ich kann verstehen, daß unter bestimmten Umständen – «
    »‘s is der Schock, nur deswegen frag’ ich. Der Schock un’ die Schmerzen. Schrecklich, die Schmerzen.«
    »Das tut mir aber sehr leid.«
    »Ah. Schrecklich. Dörrt einem die ganze Kehle aus. Deshalb hab’ ich gefragt, wissen Se.«
    Fen schaute sich um, sah aber nirgends Wasser schimmern. An Behausungen war in der Nähe nur das Heim des Pfarrers wahrzunehmen.
    Ein Versuch lohnte vielleicht.
    »Warten Sie«, sagte Fen.
    Aber als er das Haus des Pfarrers erreichte, erwiesen sich die Türen als abgesperrt, und kein Fenster im Erdgeschoß stand offen. Er kehrte deshalb zu Enoch zurück, der immer lauter jammerte.
    »Wenn Se kein Wasser hab’n«, stieß er schließlich hervor, »haben Se vielleicht

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