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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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Undurchdringlichkeit aber stets aufs neue erstaunte und erschreckte, sobald er es erreichte.
    Fen wollte noch an diesem Abend an die Herstellung der Sülze gehen, entschied er. Inzwischen ließ er, da der kleine Kühlschrank fast ganz mit Rinderkeule gefüllt war, den Schweinskopf-Sack daneben liegen, nahm seine Quasimodo-Haltung an und duckte sich erfolgreich hinein in die Küche. Professor Gervase Fen blieb am Spiegel stehen, aus dem ihm nicht unerwartet sein eigenes Gesicht entgegenblickte. In den fünfzehn Jahren seit seinem letzten Auftreten schien er sich wenig verändert zu haben. Er sah denselben hochgewachsenen, schlanken Körper, dasselbe gerötete, geschrubbt aussehende glattrasierte Gesicht, dieselben blauen Augen, dasselbe braune Haar, mit Wasser unzulänglich hingeklebt, so daß es oben auf dem Kopf stachelartig emporragte. Irgendwo mußte er noch seinen ausgefallenen Hut haben. Gut. Vielleicht dachte er, mochte er sogar den Tag erleben, an dem Romanschriftsteller imstande waren, ihre Figuren mit Hilfe eines anderen Einfalls zu beschreiben, als sie dazu zu bringen, sich in einem Spiegel zu betrachten.
    Sein Eintreten in das Wohnzimmer erschütterte die alten Dielenbretter und einen gemischten Stapel von Duffy, Powell und Naipaul, die in verschiedene Richtungen gleichzeitig auseinanderrutschten. Andere britische Nachkriegs-Romanciers, in anderen Stapeln, hielten stand. Auf dem Sofa lag der zweite tierische Schutzbefohlene Fens, ein roter Kater namens Stripey, in tiefem Schlaf. Stripey war am frühen Vormittag erschöpft von einem seiner dreitägigen Streifzüge unter den Katzendamen des Bezirks zurückgekehrt, Expeditionen, die er, so schien es Fen, weniger aus Vergnügen als aus einem vagen, bedrückenden Gefühl sozialer Verantwortung zu unternehmen schien, wie ein reuiger Zuchthäusler, der sich freiwillig medizinischen Forschungszwecken zur Verfügung stellt. Er war der Archetyp des Männlichen, gleichzeitig plump, anmaßend und rührend.
    Fen setzte sich zu ihm und ließ seinen Blick über Snow, Mortimer, Manning, Fielding, Murdoch, Golding, Mittelholzer wandern. Er ließ ihn wieder davonwandern. Statt anderer Leute Romane zu kritisieren, wollte er selbst einen schreiben. Er sollte den Titel tragen >Eine Man-Ka<.
    Alles, was nun noch blieb, war, einen Einfall für die Handlung zu finden.
    Die Kalbfleisch-Schinken-Pastete in >The Stanbury Arms< war der Ersatz für das ausgefallene Frühstück gewesen. Da sie noch nicht verdaut war, hielt sie Fen vom Mittagessen ab. Er beschloß, auf dieses zu verzichten, etwas, das er im Lauf des Nachmittags bereuen würde. Er kam sich vor wie ein Held, der fortwährend viel zu spät auftritt, um eine Reihe von bedrängten Frauen zu retten.
    Das Fest begann nicht vor 14.30 Uhr.
    Stripey schlummerte weiter, seinen Keimdrüsen Rast gönnend, um bei Anbruch der Dunkelheit wieder für eine neue Runde gemeinsinniger Fortpflanzung gerüstet zu sein. Fen griff seufzend über die Armlehne des Sofas nach einem Stapel >The Western Morning News<, die Ausgaben von zehn Tagen, ausgeliehen vom Major, bislang aber ungelesen. Rouths Ermordung hatte Fens Interesse nicht wecken können, im Gegensatz zu dem des Majors. Als Fen in das Haus der Dickinsons eingezogen war, hatte der Major, eine frühe Bekanntschaft Fens, oft und ausführlich über den Mord gesprochen und viele kleinste Details aufgeführt, von denen Kenntnis zu nehmen offenkundig nicht einmal so eine gute Zeitung wie >The Western Morning News< den Platz gehabt hatte. Obwohl aber das umfassende Lokalkolorit des Majors sich Fens gutem Gedächtnis eingeprägt hatte, war es ihm bisher nicht in den Sinn gekommen, es auszugraben und durchzugehen. Bis jetzt war ihm Rouths Ermordung einfach nicht rätselhaft genug erschienen, um wirklich interessant zu sein.
    War sie selbst nach Gobbo rätselhaft?
    Das mußte herausgefunden werden.
    Während Stripey im Schlaf zuckte und Ellis auf den steinernen Rand der Welt zukroch, machte Fen es sich bequem. Er begann zu lesen, was >The Western Morning News< ihm zu sagen hatte, um deren Tatsachen mit den vom Major geschilderten Einzelheiten zu ergänzen.

4. Kapitel
    So trenne ab nur Hand und Kopf
     
    Ich glaube, die richtige Frage, die man stellen muß…
    ist einfach diese: Ist es mit Vergnügen geschehen –
    war der Künstler glücklich, während er arbeitete?
    John Ruskin >The Seven Lamps of Architecture<
     
     
    1
     
    Da seine Eltern starben, als er drei Jahre alt war, wurde Hagberd in

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