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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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einem Waisenhaus in Kalgoorlie aufgezogen, das auch die Geldsumme verwaltete, die sein Vater ihm hinterlassen hatte. Dieses Geld gab er, als er einundzwanzig war, sofort für vierhundert Morgen Land, eine Herde Hereford-Rinder und, mehr oder weniger als Nachtrag, für eine Hütte aus Fertigteilen aus, in der er wohnte. Er war mit Tieren stets gut zurechtgekommen, und die Rindfleischerzeugung dort war damals unbeträchtlich.
    Andere Faktoren gab es nicht. Da der Bewässerungsplan für West-Australien noch in der Zukunft lag, fiel es Hagberd verzweifelt schwer, sein Vieh mit genug Wasser zu versorgen, geschweige denn die Weiden, die sie ernährten. Ferner mangelt es Australien an Mistkäfern. Riesige Gebiete des Kontinents besitzen überhaupt keine. Die fleißigen Käfer, die anderswo Kuhfladen verschlingen, als wären es Sahnebaisers, müssen importiert werden und neigen selbst dann zum Verschmachten. Demgemäß vergiften die Kuhfladen nicht nur das Gras, auf dem sie liegen, sondern auch in erheblichem Ausmaß die Umgebung.
    Mit mehr Geld hätte Hagberd überleben können Geld für Brunnen und Gräben und einen einfallsreichen, aber teuren mechanischen Ersatz für die Mistkäfer, genannt McGlashan’s chemische Abräumanlage. Mit mehr Geld hätte er auch einen oder zwei Gehilfen einstellen können, statt zu versuchen, alles selbst zu machen. Nach drei Jahren gab er den ungleichen Kampf auf, verkaufte das Land und die Herde für den Preis, der ihm geboten wurde, und arbeitete seine Passage nach England ab.
    Es war verständlich, daß er vorübergehend von der Landwirtschaft genug hatte. Was nicht so begreiflich erschien, war, daß ein Mann, der harter Arbeit so zugetan war, sich in einer Dampfkesselfabrik in den Midlands verdingte. Bestürzt darüber, festzustellen, daß seine Kollegen jeden Tag dann die Arbeit niederlegten, wenn sein Appetit auf Plackerei noch gänzlich ungestillt war, hatte Hagberd zunächst Proteste erhoben und sich, als das unwirksam blieb, angewöhnt, nach der Arbeit zurückzubleiben, um im Hof Zigarettenkippen zusammenzukehren, den Drahtzaun am Parkplatz zu flicken, Toiletten zu reinigen, Türrahmen zu streichen und Fenster zu putzen. Einmal wurde er um 22.30 Uhr entdeckt, als er den Boden im Büro des Personalchefs bohnerte, das zufällig nicht abgeschlossen war. Fünf Wochen und sechs Streiks nach seiner Einstellung wurde er entlassen. Was die Betriebsräte anging, so hätte er länger bleiben können: Da seine Leidenschaft für Arbeit offensichtlich krankhaft war, nahmen sie ihm sein Verhalten nicht übel, und außerdem stellte er einen wertvollen, von der Gewerkschaft gebilligten Vorwand dar, die Arbeit niederzulegen. Die Geschäftsleitung sah die Dinge jedoch anders: Es gab bereits Vorwände genug zum Streiken, ohne auch noch Hagberd auf die Liste zu setzen. Der geschäftsführende Direktor sah vom Fenster seines Büros aus zu, als der das letztemal das Werk verließ, zuckte zurück, als Hagberd auf die Windschutzscheibe des Direktoren-Rolls-Royce spuckte (dies aber nur, um, wie sich herausstellte, Vogelkot abzuputzen), läutete verzweifelt seiner Sekretärin, als Hagberd vor dem Haupttor stehenblieb, um in einem großen Geranienbeet das Unkraut auszurupfen, und atmete schließlich erleichtert auf, als die hagere, schlaksige Gestalt im Verkehr und Industrienebel verschwand.
    Vorübergehend wußte Hagberd nichts mit sich anzufangen und beschloß, eine Pietätsreise nach Plymouth zu unternehmen, wo 1809 ein Vorfahr, ein Matrose, am Devonport-Kai gehängt worden war, weil er versucht hatte, seinen Kapitän über Bord zu stoßen, statt sich an seine Kanone gegen die Franzosen zu stellen. Und so kam er nach Devonshire. Und so kam es, daß er, als seine Gedanken sich wieder der Landwirtschaft und all den wunderbaren Tieren zuwandten, in Burraford von Routh eingestellt wurde, mit Folgen, die sich für sie beide als katastrophal erweisen sollten.
    Hagberd war nicht nur ein australischer Rinderzüchter, er sah auch wie ein solcher aus. Er war sehnig, schlaksig, langarmig, weit ausschreitend. Er trug breitkrempige Hüte. Sein wettergegerbtes Gesicht sah aus wie eine Elle schlammiges Pumpenwasser, seine Nase war ein Haken. Er hatte kleine, leuchtend blaue Augen. Seine Ohren standen ab wie Krughenkel. Routh war äußerlich sein Gegenpol klein, teigig und mit weißer Haut, einem zusammengedrückt aussehenden Gesicht, dessen kleine Ohren und Nase wie von unsichtbarem Klebeband festgehalten zu sein

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