Der Mond im See
das herauszubekommen.«
»Meinen Sie das wirklich?« fragte Madame de Latour gespannt.
Der Kriminalrat nickte. »Gewiß. Sodann kennen wir zwei andere Personen, die an der Entführung beteiligt waren. Die Krankenschwester und den Pferdepfleger. Sie, gnädige Frau, werden noch heute versuchen, wenn nicht von Frau Thorez, dann von ihrer Mutter, den Namen der ursprünglich eingestellten Schwester zu erfahren. Es ist wichtig. Vielleicht können Sie es fertigbringen, daß ich die Mutter von Frau Thorez sprechen kann.«
»Ich werde es versuchen«, murmelte Madame Hélène.
»Es ist wichtig, sagen Sie es ihr. Wie dieser Jeannot hierhergekommen ist, wissen wir. Wir müssen bloß noch erfahren, woher.«
»Bei uns hat er angegeben, aus Genf«, sagte Madame Hélène.
»Das wird man nachprüfen. Mit dem Mann, der zuvor im Stall war und der überfallen worden ist, haben wir bereits gesprochen. Er wurde am Abend in der Dunkelheit überfallen und niedergeschlagen, ohne die Angreifer zu sehen. Es ist auch inzwischen geklärt, daß nicht der Mann jener jungen Dame aus Marnbach, die es dem Pferdepfleger angetan hatte, der Attentäter war. Raffiniert, sagten Sie, gnädige Frau? Ich kann das nicht finden. Drei Leute, die bei der Entführung beteiligt sind, waren mühelos zu ermitteln beziehungsweise werden es noch sein. Und der vierte Mann wurde zweimal gesehen – wir haben ein Bild von ihm.«
»Ein Bild?« platzte Jonny erstaunt dazwischen.
Der Kriminalrat drehte sich langsam zu ihm um. »Jawohl, mein Lieber. Ein Bild. – Bringen Sie mir noch einen Pflümli, ja?«
»Bitte sehr!« Jonny verschwand eilig hinter der Bar.
»Alles gut und schön«, sagte ich, im stillen verwundert darüber, daß der Kriminalrat das alles so großzügig ausplauderte. »Aber wie bekommen wir das Kind?«
»Das ist es eben. Wie bekommen wir das Kind? Und zwar lebendig?«
»Vermutlich nur gegen Geld. Da hat Renate schon recht«, sagte Madame Hélène.
»Es wäre schön, wenn wir das Kind dafür bekommen könnten«, sagte Herr Baumer ernst. »Denn darüber sind wir uns wohl alle klar. Auch wenn das Geld gezahlt wird – und es wird ja meist gezahlt –, findet man das Kind nicht immer – eh, unversehrt vor. Übrigens, daß ich es nicht vergesse: Einer fehlt noch in der Reihe der Gangster.«
»Einer fehlt noch?« sagte ich.
»Ja. Überlegen Sie mal. Monsieur Bondy – tot. Die Schwester, Jeannot – verschwunden. Der Unbekannte – vermutlich in Basel gewesen, jetziger Aufenthalt unbekannt. Was mir fehlt –«, der Kriminalrat paffte an seiner Zigarre, kippte dann den Pflümli, nickte Jonny zu, der wieder in der Nähe war, »ein erstklassiges Destillat, mein Lieber! Ja, also, was ich sagen wollte, was mir fehlt, das ist der Verbindungsmann.«
»Der Verbindungsmann?«
»Ja. Wer hat gewußt, daß René Thorez in dieses Hotel kommen wird?« Er blickte uns rundherum fragend an. »Bitte, meine Herrschaften, denken Sie darüber nach, denn diese Frage ist wichtig. Wer hat gewußt, daß der Junge die Klinik verläßt und hier ein paar Wochen verbringen wird?«
Teufel, ja! Wer hatte das gewußt?
Wir sahen uns gegenseitig erstaunt an.
»Die Geschichte war sorgfältig vorbereitet, nicht wahr? Der Überfall auf den Mann im Stall. Vor drei, vier Wochen etwa. Der Austausch der Krankenschwester ist ungefähr zur gleichen Zeit erfolgt. Also ehe René mit seiner Großmutter hierherkam, wußte man – gewissermaßen auf dem Feldherrnhügel dieser Aktion –, daß der Junge hier sein würde. Nun, gnädige Frau, wer hat das gewußt?«
»Ich, zum Beispiel«, sagte Madame de Latour trocken.
»Sehr richtig, Sie haben es gewußt. Wer vom Personal hier hat es gewußt?«
Ehe Madame de Latour antworten konnte, platzte Jonny dazwischen. »Ich habe es nicht gewußt«, sagte er.
»Das dachte ich mir schon«, sagte der Kriminalrat und lächelte ihm zu. »Ein kleiner Junge von sechs Jahren dürfte für Sie kein guter Kunde sein. Kein Grund, Sie von seinem Kommen zu unterrichten.«
»Niemand vom Personal hat es gewußt, wenn ich es mir genau überlege«, sagte Madame Hélène nachdenklich. »Ja, ich weiß es sogar genau. Ich habe zu niemandem darüber gesprochen. Schon allein deswegen, weil ja Renate Wert darauf legte, daß Monsieur Thorez es möglichst nicht erfahren sollte. Und mir eigentlich die ganze Geschichte nicht so angenehm war. Nicht einmal die Sekretärin hat es gewußt.« Sie sah mich an. »Ja, das stimmt. Ilona hat es nicht gewußt, für wen die
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