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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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bist genauso ein Wichtigtuer. Was geht dich die ganze Sache an? Die Familie Thorez hat Geld genug, sie können die Million leicht zahlen. Und dann kommt der Junge wieder.«
    Ich merkte, wie ich auch zornig wurde. »Das ist doch kein Standpunkt. Es geht doch nicht nur um das Geld. Überlege doch mal, was man René mit dieser Sache antut. Und ob er heil zurückkommt, auch wenn das Geld bezahlt wird, ist ja noch sehr die Frage. Und denke an Renate. Sie hat gerade genug mitgemacht.«
    »Ja, ja, ich weiß, du liebst sie. Dir bricht das Herz, wenn du sie leiden siehst. Sie leidet sehr gern, sei beruhigt. Sie ist der Typ.«
    Wir hatten die Pferde angehalten und blickten uns ins Gesicht. Und Annabelle sah mir wohl an, was ich dachte.
    »Das hätte ich nicht sagen sollen, n'est-ce pas?« Sie lächelte bitter. »Aber es spielt keine Rolle mehr. Du liebst mich sowieso nicht.«
    Ich sah sie immer noch an, und ich war traurig. Sie hatte recht. Ich war ihr wiederbegegnet. Es war ein Traum gewesen, den ich zehn Jahre lang geträumt hatte. Aber die Wirklichkeit war eben etwas anders. Der Traum war verflogen.
    »Von Liebe ist jetzt keine Rede«, sagte ich. »Wir haben an andere Dinge zu denken. Es gibt nur eins, was wichtig ist, das ist René.«
    »Ja, natürlich. Ich will ja auch alles dazutun, was ich kann, um ihn zu finden. Aber ich weiß nichts. Und ich habe mit niemandem gesprochen. Dieser – wie heißt er doch gleich? – Baumer, nicht? – er verdächtigt anscheinend Bill. Nur weil er Amerikaner ist. Aber das ist doch lächerlich. Ich habe ihn erst kennengelernt, als er hier ankam. Außerdem ist er selbst ein vielfacher Millionär. Warum sollte er ein Kind entführen? Er könnte höchstens Angst haben, daß man ihm seine Kinder entführt.«
    »Hat er denn welche?«
    »Natürlich. Alle Amerikaner haben Kinder. Und die Sache hat ihn sehr aufgeregt. Er kommt jede halbe Stunde mit einer neuen Geschichte, von der er gehört oder die er gelesen hat, und mit einem neuen Plan, was man tun sollte. Aber er ist auch der Meinung, daß man die Polizei aus dem Spiel lassen soll. Das täte in Amerika ein jeder in einem solchen Fall, sagt er. Und Yves – mon Dieu, du kennst ihn doch. Yves ist ein Schwächling. Gestern abend habe ich gedacht, er fällt jeden Moment in Ohnmacht, so hat ihn das alles mitgenommen. Jetzt möchte er am liebsten abreisen. Wir wollten ja auch an die Côte fahren. Aber ich kann doch jetzt nicht weg. Renate würde es komisch finden.«
    »Renate wäre es sicher egal«, sagte ich. »Hattest du Yves in Paris erzählt, daß René hierherkommt?«
    »Ich weiß nicht mehr, kann sein. Vielleicht habe ich mal darüber gesprochen. Aber das ist ein Witz. Sieh dir Yves an, und dann sage mir, ob er imstande wäre, kleine Kinder zu entführen.«
    »Darum geht es ja nicht. Er nicht, aber vielleicht hat er seinerseits wieder zu irgend jemand davon gesprochen. Ihr seid doch eine gemischte Gesellschaft da in Paris. Möglicherweise war jemand dabei, für den der kleine Thorez ein lohnendes Objekt gewesen ist. Überlege doch mal. Oder frage Yves, damit er darüber nachdenkt.«
    »Wir sind gar keine gemischte Gesellschaft. Aber du bist ein blödsinniger Spießer. Nie hätte ich dich heiraten können, das sehe ich jetzt ganz deutlich.«
    Und damit gab sie Chérie die Sporen und preschte in hohem Tempo los.
    Ich hinterher – mit gemischten Gefühlen.
    Als wir die Pferde abgesattelt hatten, sagte mir Annabelle sehr kühl gute Nacht und verschwand nach oben. Keine Aufforderung, weder zum Abendessen noch zu einem Drink. Sie ging und ließ mich stehen. Weshalb ich so in Ungnade gefallen war, verstand ich nicht ganz.
    Und nun?
    Seit vierundzwanzig Stunden war René verschwunden. Renate saß oben in ihrem Zimmer und verzweifelte. Und wir – wir konnten alle nichts tun.
    »Oder was kann ich tun, Bojar?« fragte ich meinen Schwarzbraunen. »Einfach losziehen und nach René suchen? In Basel, in Zürich, in Paris oder in Holland? Die Welt ist groß. Und ein kleiner Junge ist leicht versteckt – da hat Renate schon recht. Ich könnte beispielsweise nach München fahren, dort war Renate zuletzt, und alle Leute befragen, mit denen sie gesprochen hat. Das wäre eine Möglichkeit. Oder alle Leute in Paris fragen, mit denen Annabelle gesprochen hat. Oder wer hat noch gewußt, daß René hier sein wird? Alles, was ich tun würde, wäre Blödsinn. Ich bin sicher, Kommissär Tschudi ist tüchtig am Werk. Und der versteht mehr von dem Geschäft als

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