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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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Zimmer reserviert waren.«
    In allem Kummer fand ich große Erleichterung. Ich wußte auch nicht, warum. Ilona hat es nicht gewußt. Plötzlich sah ich sie vor mir. Gestern abend am See, unten bei den Seerosen. Der runde Mond über dem See, und zum zweitenmal mitten im Wasser. Ihre Angst, ihre Sorge. Nein, sie war keine Lügnerin. Sie hatte nichts gewußt. Sie hatte mit der Sache nichts zu tun.
    »Jonny, mir auch noch einen, einen Doppelten«, sagte ich und bemühte mich, ein gleichgültiges Gesicht zu machen. Aber ich merkte, daß der Kriminalrat mich scharf beobachtete. Und dann sah ich, wie ein kleines Lächeln über sein Gesicht ging. Wußte er, was ich empfand? Wußte er am Ende mehr als ich? Wußte er vielleicht, daß dieses Ungarnmädchen – was, zum Donnerwetter? Daß ich sie gut leiden mochte? Sie war ein Kumpel, ein Kamerad, ein Freund, auch wenn sie erst ihre Nase ein wenig in die Luft gestreckt hatte. Aber ich liebte doch Annabelle! Oder Renate? Oder – zum Teufel, ich wußte es nicht. Es war auch keine Zeit, jetzt darüber nachzudenken.
    »Genaugenommen hat es niemand gewußt, außer Ihnen und Madame Annabelle«, sagte der Kriminalrat langsam zu Madame Hélène. Madame de Latour errötete unwillig. »Mon Dieu, was wollen Sie damit sagen? Ich – Annabelle – wir haben doch schließlich mit der Sache nichts zu tun.«
    »Aber mit wem haben Sie darüber gesprochen?« drängte der Kriminalrat.
    »Ich? Mit niemanden. Ganz bestimmt. Ich wüßte nicht, mit wem ich darüber gesprochen hätte.«
    »Und Madame Annabelle?«
    »Mit wem soll sie darüber gesprochen haben? Sie war doch damals noch gar nicht hier, als …«
    »Als was?«
    »Na ja, als ich erfuhr, daß der Junge herkommen sollte.«
    »Von wem erfuhren Sie es?«
    »Von – von Annabelle. Sie rief mich eines Abends an und sagte es mir. Sie hatte Renate in Paris getroffen. Sie war dort – ich weiß auch nicht mehr, warum. Ich glaube, sie sprach mit dem Anwalt wegen der Scheidung. Oder es war etwas anderes. Ich weiß nicht, schließlich hatte Renate ja in Paris gewohnt zuvor. Und sie hatten wohl über das Kind gesprochen, und Renate hatte gesagt, sie wolle ihn unbedingt aus der Klinik herausnehmen, er verkümmere dort, und es ginge ihm ja auch besser, er brauche ein bißchen Luftveränderung. Und da hat Annabelle wohl vorgeschlagen, sie sollten hierherkommen. Ja, so war es.«
    »Hm«, machte der Kriminalrat.
    Madame Hélène betrachtete ihn mit entsetzten Augen. »Sie wollen doch nicht etwa sagen …«
    »Ich will gar nichts sagen. Ich will Ihnen bloß beweisen, wie dumm Verbrecher sind und wie leicht man hinter diese Dinge kommt, wenn man sie zu Ende denkt. Ich würde Madame Annabelle dann gern einmal sprechen.«
    Er hob abwehrend die Hand, ehe Madame Hélène ihren Protest loswerden konnte. »Keine Sorge. Ich habe keinerlei Verdacht gegen ihre Tochter. Ich möchte nur, daß sie einmal ernsthaft darüber nachdenkt, mit wem sie über die Angelegenheit gesprochen hat. Vielleicht hat sie es hier und da erzählt, wäre doch möglich. Beim Friseur, bei der Schneiderin, was weiß ich, wo Frauen noch ein wenig plaudern. Bei einer Party. Man sprach vielleicht von der Ehe Thorez, die Familie ist schließlich sehr bekannt in Frankreich, eine Scheidung, nicht wahr, ist in dieser Größenordnung immer ein kleiner Skandal, auch heute noch. Vielleicht hat Madame Annabelle eine kleine Bemerkung gemacht, sie würde Madame Thorez und ihren Sohn bald im Urlaub sehen, da oder dort. Wäre es nicht möglich?«
    »Wenn Sie es sagen«, meinte Madame Hélène langsam, »klingt es ganz plausibel.«
    Das fand ich auch. Annabelle und ihre komischen Freunde überall, dieser seltsame Yves, der mir gar nicht sympathisch war. Dieser Amerikaner …
    »Kindesentführung ist eigentlich ein typisch amerikanisches Verbrechen, nicht wahr?« sagte ich.
    Kriminalrat Baumer sah mich an. »Hm. Ich sehe, Sie denken mit. Ja, es stimmt. Typisch amerikanisch. In Europa kommt es verhältnismäßig selten vor. Bis jetzt jedenfalls. Aber es kommt vor. Jedoch dürfen wir nicht voreilig sein. Es gibt noch ein anderes Ende. Wem zum Beispiel hat Frau Thorez von dem geplanten Aufenthalt hier erzählt? Oder ihre Mutter? Immerhin – ich würde sagen, der Personenkreis, der vor vier Wochen wußte, daß René Thorez in diesem Hotel sein würde, dürfte nicht sehr groß sein. Er müßte sich zusammenstellen lassen bei einigem Nachdenken. Finden Sie immer noch, daß die Verbrecher raffiniert sind,

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