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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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ein Fehler, ihn umzubringen. Man hätte ihn abreisen lassen sollen.«
    Ich stellte mir vor, was alles jetzt im Gange war. In allen Polizeidienststellen Europas, vielleicht auch in Amerika, hatte man jetzt schon das Bild und die Fingerabdrücke von dem toten Bondy. Am Ende erkannte ihn doch einer.
    »Als er das letztemal in Wien aus dem Gefängnis kam, hieß er noch Camalescu«, sagte ich. »Dann muß er sich falsche Papiere besorgt haben und ist verschwunden. Wo mag er gewesen sein?«
    Zwei Tage später hatte die Polizei, die viel tüchtiger ist, als man im allgemeinen annimmt, in vorbildlich-europäischer Zusammenarbeit herausbekommen, wo Herr Camalescu alias Bondy abgeblieben war. Er war via Deutschland nach Frankreich gereist und hatte dort – wer hätte es für möglich gehalten? – ganz brav und bieder geheiratet. In Paris. Eine nicht mehr ganz junge Dame mit etwas bewegter Vergangenheit und einem kleinen Vermögen. Als er fleißig mitgeholfen hatte, selbiges zu verbrauchen, war er verschwunden. Seine Frau hatte ihn vermißt. Sie hatte erst einen Privatdetektiv mit der Suche nach ihm beauftragt, sodann eine Vermißtenanzeige bei der Polizei gemacht. Auf diese Weise wurde wieder eine Lücke im Lebenslauf des armen Verblichenen aus unserem Apfelkammerli geschlossen. Blieb eigentlich bloß noch das letzte Jahr.
    Aber das alles wußte ich an diesem Abend noch nicht, als ich mit Ilona auf der Bank saß und leise fröstelte, denn der Abend war kühl.
    Ich fragte sie: »Und was haben Sie Herrn Baumer alles erzählt?«
    »Nicht viel. Ich weiß ja nichts.«
    »Nein, ich meine über Fräulein Ilona Huszár. Sie sagten, er hätte sich erkundigt, woher die junge Dame komme und was sie zuvor getan hätte.«
    Sie gab mir einen raschen Blick von der Seite. »Wollen Sie mich etwa auch verhören?«
    Ich nickte. »Ja.«
    »Und warum, wenn ich fragen dürfte?«
    »Weil es mich interessiert. Bisher weiß ich nur, daß Ilona mit Mutter und Bruder 1956 aus Ungarn kam, fünfzehn Jahre alt war, lange braune Zöpfe hatte und eine Schramme auf der Stirn.«
    Ich legte meinen Arm auf die Banklehne, griff mit der anderen Hand nach ihrem Kinn und bog den Kopf leicht zu mir herum. »Schramme ist nicht mehr da. Die Zöpfe sind ab. Was könnte das Mädchen noch in den vergangenen Jahren gemacht haben?«
    Sie schien nicht ganz zu wissen, ob sie mir eine kühle Abfuhr erteilen oder auf meinen Ton eingehen sollte. Auf jeden Fall war es mir gelungen, sie zu verwirren. Ihre Augenlider flatterten ein wenig, und die Antwort ließ auf sich warten.
    Als sie kam, war sie recht zahm. »Aber ich verstehe gar nicht – ich meine, warum wollen Sie denn das wissen?«
    »Weil es mich interessiert. Habe ich schon mal gesagt.«
    Ich merkte, daß auch sie zusammenschauerte, und fragte: »Ist Ihnen kalt?« Und ohne ihre Antwort abzuwarten, verlängerte ich meinen Arm, den auf der Banklehne, und legte ihn um ihre Schulter. Ich war durchaus darauf gefaßt, daß sie ihn wegschieben, aufstehen und kühl sagen würde: »Was erlauben Sie sich?«
    Jedoch mitnichten. Sie blieb ganz still sitzen. Nur den Kopf drehte sie wieder zur Seite.
    »Also! Erzähle mir mal«, sagte ich.
    »Da ist nichts Besonderes zu erzählen. Erst bin ich noch in die Schule gegangen. Meine Mutter hat gearbeitet. Sie hatte in Wien einen Jugendfreund, der dort ein sehr hübsches kleines Restaurant besaß. Ein ungarisches Restaurant, Sie verstehen?«
    »Ich kann es mir vorstellen. So mit Zigeunergeigen und Weinlaub an den Wänden und Bildern von der Pußta.«
    »So ähnlich. Meine Mutter half in der Küche, später im Büro. Und ich habe ziemlich bald auch dort mitgearbeitet. Wir mußten ja leben.«
    »Ich denke, Sie hatten auch einen älteren Bruder?«
    »Mit meinem Bruder gab es leider Ärger. Er – er war ein bißchen leichtsinnig. Meine Mutter wollte, daß er sein Studium fortsetzte – er hatte in Budapest angefangen zu studieren – er wollte eigentlich Ingenieur werden …«
    »So wie ich …«
    »Ja, so wie Sie. Aber er geriet in etwas seltsame Kreise. Und als meine Mutter ihm Vorhaltungen machte, gab es oft Streit. Bis er uns ganz verließ. Er ging später nach Amerika. Und wir haben nie wieder von ihm gehört. Für meine Mutter war das sehr bitter. Sie hat es nie verwunden.«
    Ilona senkte den Kopf und schwieg. Ich zog sie ein wenig fester an mich. »Und weiter?«
    »Meine Mutter ist vor einem Jahr gestorben. Sie war lange krank. Und seitdem bin ich ganz allein.«
    Es klang sehr

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