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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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miterlebt?«
    »Den Anfang. Er ist bald geplatzt vor Wut. Und ich glaube, er ist aus Protest so schnell gestorben. Er konnte es nicht mehr mit ansehen. Madame Hélène sagt, es sei schade, daß er gestorben ist, den Gästen hätte es Spaß gemacht, einen echten französischen Grafen als Hausherren besichtigen zu können. Und daß er ewig grantig war und sehr unhöflich zu den Gästen, störte keinen. Das fanden sie gerade apart.«
    Tante Hille trippelte zum Büffet und angelte einen buntbebilderten Prospekt aus der Schublade. Da sah ich es nun gedruckt. Vorn drauf das Schloß, herrlich anzuschauen zwischen grünen Bäumen, die Hügel dahinter, und unten grellblau der See. Innen waren einige Zimmer abgebildet, alle kostbar und gediegen eingerichtet. Na ja, Möbel hatten sie ja gerade genug gehabt im Schloß. Der Speisesaal war zu sehen, gedeckt mit blitzendem Silber und Porzellan, ein Raum, der sich Kaminzimmer nannte – soweit ich sehen konnte, die ehemalige Bibliothek –, eine sehr schicke Bar, ein weißgekleideter Mixer arbeitete mit dem Shaker und lächelte mit blitzenden Zähnen auf dem Bild.
    »Das ist Jonny«, berichtete Tante Hille stolz und wies mit spitzem Finger auf das wohlgelungene Mannsbild. »Ein Meister seines Fachs«, sagt Madame. »Sie hat ihm dem Palace-Hotel in St. Moritz weggeschnappt. Oder war's Pontresina? Na, egal. Er kennt jedenfalls furchtbar viel Leute und hat eine Menge Gäste ins Haus gebracht. Gute Gäste.«
    »Aha«, sagte ich und staunte über Tante Hilles Lobpreisung eines Bartenders.
    Auf dem nächsten Bild erblickte man sogar ein Trio, das sich offenbar in einer anderen Ecke der Bar postiert hatte, ebenfalls schwarzhaarige Jungen mit weißen Zähnen, die da mit Gitarre, Schlagzeug und Klarinette am Werk waren. Zwei tanzende Paare waren auch noch mit ins Bild gekommen.
    Ich stöhnte. »Sag doch nicht etwa, sie tanzen da auch noch?«
    »Nicht immer, nur an besonderen Tagen und zum Weekend.«
    Ich blickte auf. Tante Hille, die Brille auf der Nase, blickte mir über die Schulter. Weekend hatte sie gesagt. Wörtlich.
    Hatte ich noch vor einer Stunde gedacht, nichts habe sich verändert? Es hatte. Und wie es hatte.
    Sodann enthielt der Prospekt Bilder von der breiten Terrasse, wo leichtgekleidete Leute mit fröhlichen Gesichtern unter blühenden Kastanien Kaffee tranken. Auf der letzten Seite war eine Ansicht vom Schloßpark, der Weg unter Laubengängen zwischen blühenden Rosen, den ich gut kannte. Und das letzte Bild kannte ich auch. Obwohl es mir im ersten Moment nicht so erschien. Das Strandbad für unsere Gäste, hieß es da.
    Die Wiese, in ihrer Mitte die hohe Eiche, eine Bank davor, im Hintergrund eine Reihe hellgrüner Badekabinen, Liegestühle, Holzliegen, Luftmatratzen und vorn rechts ein Stück vom See und ein Steg, der hineinführte.
    Unser Badeplatz. Annabelles und mein Badeplatz. Das Strandbad für unsere Gäste.
    Der Text des Prospekts war dreisprachig: deutsch, englisch und französisch. Schloßhotel Wilberg in lieblicher Landschaft – mildes Klima – warmer See – Badezeit von Mai bis September. Wilberg castle, you better come and see and stay. – Château Wilberg – sa cuisine – ses vins – sa situation tranquille.
    Weiter entnahm ich dem Prospekt die Preise für Übernachtung, für Frühstück, für Halbpension – ganz schön gesalzen – und daß den Gästen im Schloßpark ein Tennisplatz zur Verfügung stände und daß gutgerittene Pferde darauf warteten, im Gelände bewegt zu werden.
    »Na, das ist ja ein Ding«, sagte ich.
    »Da staunst du, was?« fragte Tante Hille und platzte vor Stolz bald aus den Nähten.
    »Fremdenverkehr in Wilberg! Hat's denn sowas schon gegeben! Und es kommen wirklich Leute hierher?«
    »Ich sag dir doch, es ist fast immer ausverkauft. Ostern schon das erstemal, dann wird es etwas ruhiger. Aber Pfingsten ist wieder alles voll. Und dann geht es den ganzen Sommer über bis in den späten Herbst hinein. Und sehr gutes Publikum.« Nachdrücklich nickte Tante Hille mit dem Kopf. »Wirklich gutes Publikum!«
    »Was machen denn die Leute hier, es wird doch nichts geboten?«
    »Es wird genügend geboten.« Sie nahm die Brille ab und blickte mich strafend an. »Ruhe vor allem. Der See, die Landschaft. Und die schönen Zimmer im Schloß. Gutes Essen. Sie hat einen französischen Koch, ich sag dir's doch. – Heute wollen die Leute keinen Rummel mehr. Jedenfalls die guten Leute nicht. Sie wollen wo hinfahren, wo sie unter sich

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