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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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Platzes stand das Haus von Ruedis Eltern.
    Ein altes, breit hingebautes Haus mit tiefem Dach und blanken Fensterscheiben, im Garten davor bunte Blumen wie früher auch, und neben der Pforte das vertraute Schild: Dr. Rudolf Lötscher.
    Das war Ruedis Vater. Der Arzt von Wilberg, der meine Masern und den gebrochenen kleinen Finger genauso kuriert hatte wie Tante Hilles Rheuma, Gretlis Blutvergiftung und Großvaters Magenverstimmungen. Nur leider nicht Mamans Leukämie.
    Ob ich schnell hineinging und nach dem Ruedi fragte? Er hatte damals zusammen mit mir Wilberg verlassen und war nach Basel gegangen, um Medizin zu studieren. Große Pläne hatte er. Chefarzt in einer großen Klinik wollte er werden, möglichst in Amerika, vielleicht auch ein Urwaldarzt wie der Dr. Schweitzer, und allermindestens würde er den Krebserreger entdecken und das Heilmittel dazu. Eine Zeitlang hatten wir uns noch geschrieben. Aber wie das so geht, unsere Wege hatten sich immer weiter voneinander entfernt, neue Freunde, andere Interessen, unser Briefwechsel war eingeschlafen, wir hatten viele Jahre nichts voneinander gehört. Treulos kam es mir jetzt vor.
    Ich ging durch die Gartenpforte, um das Haus herum zur Hintertür, die in die Küche führte. Und richtig, wie ich es im stillen gehofft hatte, traf ich dort Ruedis Mutter, immer noch eine stattliche große Frau, ein paar graue Strähnen im tiefschwarzen Haar, sonst aber ganz unverändert. Sie rührte eifrig in einer Schüssel, und das kannte ich noch sehr gut, sie war stets und ständig eine ebenso leidenschaftliche wie hervorragende Kuchenbäckerin gewesen.
    »Grüezi!« sagte ich von der Tür her.
    Sie blickte auf, nur flüchtig, und teilte mir mit, daß der Eingang für Patienten an der Haustür sei. Aber dann hatte es gefunkt. Sie drehte sich um, der Rührlöffel stak im Teig, und »Wälterli!« rief sie erstaunt. »Bischt es du?«
    Noch eine Begrüßung, Fragen und Antworten hin und her.
    »Laß dich anschauen, Bub, da setz dich hin, willst du Kaffee oder lieber ein Glas Wein? Komm, wir gehen auf die Veranda.«
    »Aber der Teig?« fragte ich besorgt.
    »Der muß sowieso eine Weile ruhen.« Sie versetzte ihm noch einen liebevollen Klatsch mit dem Rührlöffel, und wir siedelten um auf die Veranda.
    »Da wird sich der Ruedi aber freuen, wenn er dich sieht.«
    »Wieso? Ist er denn hier?«
    »Ja, freilich.«
    »Auf Urlaub? Wie ich?«
    »Auf Urlaub? Ja, wieso denn das? Er ist doch immer hier. Hat dir deine Tante das nicht erzählt?«
    Tante Hille hatte mir nichts erzählt. Jedenfalls nicht, daß der Krebsforscher und Urwalddoktor die Praxis seines Vaters vor anderthalb Jahren übernommen hatte. Der Rudolf Lötscher, der draußen auf dem Schild seine Hilfe anbot, war niemand anderes als mein Freund Ruedi. Sein Vater war gestorben vor zwei Jahren, eine Zeitlang hatte ein Vertreter die Praxis weitergeführt, und dann war der Junge heimgekehrt und hatte weitergemacht, wo sein Vater aufgehört hatte. Seine Mutter war damit einverstanden. Alles sei da, die Leute kannten ihn, die Patienten hatten auch dem jungen Arzt die Treue gehalten, also war es doch so am besten, als erst weit in die Welt hinauszugehen, wo man nicht wußte, was einem da passieren würde.
    Die nächste Überraschung folgte auf dem Fuße. Ein bildhübsches junges Mädchen, rank und schlank, mit kurzen kecken Locken und sehr kleidsam in einen weißen Mantel verpackt, erschien auf der Veranda und fragte, ob man einen Schluck Kaffee für sie hätte. Donnerwetter! dachte ich bei mir, was hat der Ruedi da für eine reizvolle Sprechstundenhilfe. Aber es war nicht nur die Sprechstundenhilfe, es war außerdem Ruedis Frau. Vor vier Jahren schon hatte er geheiratet, wie ich erfuhr. Sie hieß Hedy, hatte ebenfalls Medizin studiert, hatte aber dann aufhören müssen, weil Ruedi III sich zu ihnen gesellt hatte.
    »Na, so was!« staunte ich. »Ihr seid tüchtig hier. Da muß ich mich ja verstecken.«
    Das sagte ich auch dem Herrn Doktor, der kurz darauf erschien, um mir schnell guten Tag zu sagen. Wir schlugen uns dröhnend auf die Schulter, waren beide sehr gerührt und verabredeten uns zu einem Dämmerschoppen für den kommenden Tag.
    Fröhlich vor mich hinpfeifend, marschierte ich nach Hause. Nett, daß der Ruedi da war. Riviera und Nordseewellen rückten immer ferner. Was konnte es eigentlich woanders geben, was ich hier nicht kriegen konnte? Ein erstklassiges Bett, gutes Essen, herrlicher Wein, See, Wald, Wiesen und ein paar Hügel zum

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