Der Mond im See
Bräune ihrer Haut, das blonde Haar – ich konnte sie kaum anschauen.
Für mich? Niemals. Auch diesmal nicht für mich.
Ihr Lächeln schien das Gegenteil zu sagen.
»Da bist du ja. Setz dich her. Es ist so warm heute, man mag gar nicht drin sitzen. Hast du eigentlich schon im See gebadet?«
»Ja. Heute morgen, es war herrlich.«
»Morgen schwimmen wir zusammen. Und vorher reiten wir aus. Ich bin froh, daß du mir hilfst, die Pferde zu bewegen. Hélène hat mir deinen Tadel, den Pferdestall betreffend, schon übermittelt. Ich weiß das selber. Aber du bekommst ja keine Leute.«
»Monsieur?« Der Mixer lächelte mich fragend an.
Ich blickte auf das Glas mit der roten Flüssigkeit, das Annabelle vor sich stehen hatte.
»Auch so was.«
»Einen Negroni, s'il vous plaît.«
»Jonny«, sagte Annabelle zu dem hübschen Schwarzhaarigen, »das ist Herr Ried, ein alter Freund des Hauses. Er hat freien Barkonsum.«
Jonny verbeugte sich lächelnd. »Es wird mir ein Vergnügen sein, Herr Ried, Sie hier zu sehen.«
»Du gehst recht leichtsinnig um mit den Flaschen deiner Stiefmama. Wenn ich mich nun inzwischen zu einem Säufer entwickelt hätte?«
»Das bist du nicht. Das sieht man. Außerdem geht der Laden gut genug. Deine Gratisgetränke schlägt Jonny bei den anderen wieder auf, da kannst du ganz beruhigt sein.«
Jonny grinste und verzog sich hinter die Bar, um einen Negroni zu mixen.
»Wie findest du Chérie?«
»Chérie?«
»Meine Fuchsstute«, sagte sie ungeduldig. »Du hast sie doch gesehen.«
»Nur flüchtig. So auf den ersten Blick sehr bestechend.«
»Ich habe sie vorigen Sommer in St. Gallen nach einem Turnier gekauft. Damals hatte ich einen Braunen, aber ich konnte mit ihm nichts werden. Nächstes Jahr will ich mit Chérie starten.«
»Du reitest Turniere?«
»Ja. Hast du was dagegen?«
»Natürlich nicht. Springen?«
»Dressur. Irgend etwas muß ich schließlich zu tun haben.«
»Wenn du Dressur mit ihr reiten willst, kannst du kaum so unbeschwert durch die Gegend mit ihr sausen, wie ich es gestern gesehen habe.«
»Ach, diesen Sommer noch. Im Winter werde ich in Zürich sein, da kann ich mit ihr arbeiten.«
»Du bist im Winter in Zürich?«
»Ja. Das heißt, vielleicht auch in Paris. Das weiß ich noch nicht. Falls ich heirate, werde ich in Paris leben.«
»Falls du …« Mir blieb die Sprache weg.
Sie blickte mich kokett von der Seite an und lächelte.
»Irgendwann muß ich schließlich wieder heiraten, nicht? Ich kann nicht ewig allein bleiben. Ich bin seit drei Jahren geschieden, weißt du.«
»Natürlich«, sagte ich und schluckte. »Ewig kannst du nicht allein bleiben.«
»Das findest du auch, nicht?«
»Das finde ich auch. Drei Jahre sind sowieso eine lange Zeit. Und du …«
»Ja?«
»Du hast schon – ich meine, du weißt schon, wen?«
»Nicht genau. Da ist natürlich jemand, aber …« – sie lehnte sich zurück, griff mit träumerischem Lächeln nach ihrem Glas, trank einen kleinen Schluck, blickte mich über den Rand hinweg an, trank noch einmal –, »… ich weiß noch nicht. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Man kann seine Meinung ändern, n'est-ce pas?«
Na ja, da hatten wir es. Kaum war ich da, ging es wieder los. Das hatte sie immer gut verstanden, schon als halbwüchsiger Fratz, dieses Katz-und-Maus-Spiel. Einen so hin und her tanzen lassen wie einen bunten Hampelmann. Aber sie sollte sich täuschen. Ganz so ein dummer Junge wie damals war ich auch nicht mehr. Meine Verwirrung bei ihrem Anblick hatte sie gut bemerkt.
Aber jetzt gewann ich etwas meine Fassung wieder. Warte du, dachte ich grimmig. Du wirst schon merken, daß ich ein Mann geworden bin. Du wirst schon sehen, daß du mit mir nicht so umspringen kannst wie früher.
Mein Negroni kam, und vor Wut und auch weil ich Durst hatte, trank ich mit einem Zug das ganze Glas leer.
»Noch einen, Jonny«, sagte ich. »Wenn schon freie Bar, dann werde ich das mal ausnutzen.«
Annabelle lachte. Ihre Augen funkelten. Sie hatte das Spiel begonnen. Das Spiel mit mir. Aber sie sollte sich nicht täuschen. Ich würde ihr ein ebenbürtiger Partner sein.
»Du kannst Silvio nehmen«, sagte sie.
»Wie?« fragte ich.
»Den Schimmel. Im Gelände geht er sehr gut. Bist du letzthin geritten?«
Sie war also wieder bei den Pferden. »Sehr lange nicht.«
»Dann ist Silvio richtig, er ist sehr brav.«
»Da steht so ein Schwarzbrauner unten«, nahm ich das Pferdegespräch auf. »Scheint nicht ganz einfach zu
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