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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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Rücksichtslosigkeit.
    Halb betäubt kehrte ich in mein Zimmer zurück, setzte mich auf den Bettrand und zündete mir eine Zigarette an, um diesen schrecklichen Geruch aus meiner Nase zu kriegen. Eine Rücksichtslosigkeit, dachte ich noch einmal erbost.
    Was für ein glücklicher Mensch war ich gestern und heute gewesen! Warum mußte man mir alles verderben.
    »Na und?« fragte Tante Hille.
    »Es scheint, der Mann ist niedergeschlagen und dann ins Kammerli geworfen worden. Der Täter nahm den Schlüssel mit, damit man die Leiche nicht so schnell entdecken konnte.«
    »Niedergeschlagen?«
    »Es sieht so aus. Ich habe ihn nicht angefaßt. Ich werde mich hüten. Ob er schon tot war, als man ihn in das Kammerli sperrte oder ob er darin gestorben ist, kann ich natürlich nicht sagen.«
    »In meinem Apfelkammerli gestorben!« murmelte Tante Hille verstört. »Bei meinen Äpfeln!«
    Eine Rücksichtslosigkeit! Ich sagte es ja. Auch gegen die alte Frau. Wenn einer unbedingt diesen Monsieur Bondy umbringen wollte, hätte er es woanders tun können! Die Welt war wirklich groß genug, nicht einzusehen, warum es ausgerechnet das Gutzwiller-Haus sein mußte.
    »Du meinst, man hat ihn umgebracht?« flüsterte Tante Hille.
    »Daran ist wohl nicht zu zweifeln.«
    »Ermordet?«
    »Ermordet. Richtiggehend. Wie in einem echten Krimi. Die siehst du doch so gern im Fernsehen. Also bitte, jetzt hast du einen eigenen Mord, frei Haus geliefert.«
    »Mach nicht so dumme Witze«, fuhr sie mich an.
    »Es ist kein Witz, sondern eine Tatsache.«
    »Und warum ist er ermordet worden?«
    »Das kann ich beim besten Willen nicht wissen. Du hast ihn gekannt, nicht ich. Übrigens hast du gleich gesagt, er wäre dir unsympathisch gewesen.«
    »Denkst du vielleicht, ich habe ihn ermordet?« rief sie empört.
    »Gott bewahre! Aber vielleicht hat ihn auch sonst jemand unsympathisch gefunden.«
    »Er war immer sehr höflich«, meinte Tante Hille. »Sooo unsympathisch war er auch nicht.«
    Wie auch immer, er war tot. Am Ende hatte ihn Tante Hille doch umgebracht? Fast hätte ich gegrinst. Ich erinnerte mich an ein Theaterstück, das ich einmal gesehen hatte, und in dem zwei alte Damen am laufenden Band ihre Untermieter ins Jenseits beförderten. Aus lauter Vergnügen an der Sache. Ich hütete mich, diese makabre Vorstellung laut werden zu lassen.
    Aber ich wurde dadurch an die zweite alte Dame gemahnt, die sich in diesem Hause befand, an das Gretli. Ich mußte hinuntergehen und sie schonend vorbereiten. Nicht daß sie etwa unvorbereitet auch in den ersten Stock heraufkäme und Monsieur Bondy gegenüberstand.
    Aber ich hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da ertönte von draußen ein schriller Schrei. Zu spät! Da war sie schon.
    Ich stürzte hinaus und kam gerade zurecht, das Gretli aufzufangen, ehe sie rückwärts wieder die Treppe hinabgesegelt wäre. Ich nahm sie der Einfachheit halber auf die Arme, trug sie in mein Zimmer und setzte sie neben Tante Hille auf das Plüschsofa. Ich zog mich wieder auf den Bettrand zurück.
    Da saßen wir nun alle drei. Ratlos, erschreckt und weit davon entfernt, etwas Vernünftiges zu unternehmen.
    Das war, soweit es die beiden alten Frauen betraf, ganz verständlich. Ich jedoch mußte mich nun unbedingt zusammennehmen und als Mann beweisen. Wie kaltblütig und besonnen waren doch immer die Helden in Kriminalromanen. Ich dagegen … Na ja, erstens war ich kein Held und zweitens schon gar nicht der Held dieser Geschichte. Höchstens eine unwichtige Nebenfigur.
    »Was – was – ist denn eigentlich los?« stotterte das Gretli.
    »Der Monsieur Bondy war im Apfelkammerli«, klärte Tante Hille sie auf. »Es hat ihn einer ermordet und dort eingesperrt.«
    »Ermordet? Eingesperrt?«
    Das Frage- und Antwortspiel ging von neuem los. Die beiden redeten atemlos aufeinander ein.
    Ich überlegte. Arzt? Polizei? Ja, das war's wohl. Sollten die sich um die Affäre kümmern.
    Inzwischen hatte das Gretli den Täter entdeckt.
    »Das war der Mann, der ihn besucht hat. Ich hab's Ihnen doch erzählt, daß sie gestritten haben.«
    »Ja, stimmt, hast du erzählt«, bestätigte Tante Hille.
    »Und der Monsieur Bondy hat gerufen: ›Ich mach' das nicht mit. Das nicht.‹ Ich hab's deutlich gehört.«
    »Das hast du gehört?«
    »Das hab ich gehört.«
    »Aha«, sagte Tante Hille. »Und weil er das nicht mitgemacht hat, haben sie ihn umgebracht. Was hat er nicht mitgemacht?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Ich beendete die Unterhaltung,

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