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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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gesucht hat. Sagen Sie, wohnt hier im Hotel ein Herr Baumer? Ein pensionierter Kriminalrat?«
    »Ein Baumer wohnt hier. Aus Frankfurt. Ob er Kriminalrat ist, weiß ich nicht. Warum?«
    »Ach nur so. Ich habe den Kerl gerade kennengelernt.«
    »Ein netter alter Herr?«
    »Ja, ein netter alter Herr.«
    Ich zündete mir auch eine Zigarette an, und eine Weile blickten wir schweigend auf den See hinaus und rauchten. Dann schaute ich meine Nachbarin von der Seite an. Sie hatte ein hübsches Profil, eine gerade, schmalrückige Nase und eine schöne steile Stirn. Aber sie kam mir nicht so energisch und selbstbewußt vor wie in den Tagen zuvor. Sie sah aus, als drücke sie ein Kummer. Und dann seufzte sie auch noch.
    »Ist was?« fragte ich.
    »Wieso? Was soll denn sein?« Sie sah mich nicht an, und es kam mir vor, als klinge Trotz in ihrer Stimme mit.
    »Ich dachte nur, weil Sie geseufzt haben. Und weil Sie ein so bekümmertes Gesicht machen.«
    »Unsinn«, sagte sie laut und ärgerlich. Warf den Zigarettenstummel mit Schwung in den See, stand auf, machte Anstalten zu gehen und setzte sich dann wieder. »Ja, es ist was.«
    Ich schwieg und wartete. Wenn sie angefangen hatte zu reden, würde sie vielleicht weiterreden. Wenn nicht, war es auch gut. Ich war schließlich nicht ihr Vertrauter.
    »Wegen heute nachmittag«, sagte sie.
    Ach so. »Zugegeben, eine scheußliche Geschichte«, meinte ich tröstend. »Aber Sie sollten sich dadurch das Leben nicht vergällen lassen. Sie sind schließlich mit Herrn Bondy nicht verwandt. Und haben ja nichts weiter damit zu tun. Was soll ich denn da sagen? Ich hab' ihn gefunden.«
    »Nein, es ist noch etwas anderes.« Sie sah mich an, blickte dann wieder auf den See hinaus, runzelte die Stirn und nagte an ihrer hübschen vollen Unterlippe.
    »Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen sagen soll. Ich kenne Sie ja nicht. Aber irgend jemand muß ich es sagen. Ich wollte eigentlich mit Madame de Latour sprechen. Aber sie hatte sich zurückgezogen, weil sie sich natürlich sehr aufgeregt hat heute nachmittag. Und ich weiß ja auch nicht – vielleicht täusche ich mich. Und ich – es ist mir so unangenehm, ich hätte es eben gleich sagen sollen, aber dann dachte ich – weil ich doch auch noch nicht so lange hier bin, und keiner kennt mich richtig, und überhaupt – und …«
    Na, na, na. War das noch das selbstsichere, kühle Mädchen, das einen so zurechtweisend anblicken konnte?
    Ich legte meine Hand auf ihre beiden Hände, die sie nervös auf dem Schoß ineinanderkrampfte.
    »Nun mal langsam. Ich habe kein Wort verstanden. Worüber machen Sie sich Sorgen?«
    »Wegen heute nachmittag.« Sie sah mich an, mit großen, angstvollen Augen. »Ich habe der Polizei etwas nicht gesagt, was ich vielleicht hätte sagen sollen.«
    »Über Monsieur Bondy?«
    »Ja.«
    »Und warum haben Sie es nicht gesagt?«
    »Ich war so durchgedreht im Moment. Ich dachte – ich dachte, vielleicht würde man mich dann verdächtigen. Ich bin doch erst seit einem knappen Monat hier. Und ich hatte keine Zeit, mir das in Ruhe zu überlegen. Aber ich hätte es doch sagen müssen. Wenn ich es jetzt hinterher sage, sieht es erst recht dumm aus.«
    » Was hätten Sie sagen müssen?«
    »Daß ich ihn gekannt habe. Daß ich ihm früher schon einmal begegnet bin. Und daß er gar nicht Bondy hieß.«
    Na, nun wurde es lustig. Schade, daß der Kriminalrat mich nicht begleitet hatte.
    »Mal langsam«, sagte ich, »eins nach dem anderen. Sie haben ihn also gekannt, von früher her.«
    »Gekannt ist zuviel gesagt. Ich bin ihm begegnet.«
    »Und Bondy war nicht sein richtiger Name?«
    »Damals hieß er jedenfalls anders.«
    »Wie denn?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Ich weiß bloß noch seinen Vornamen. Damals hieß er Sergiu. Und er ist kein Schweizer. Ich glaube er ist Rumäne.«
    »Das ist immerhin schon eine ganze Menge. Warum haben Sie das der Polizei denn nicht gesagt?«
    »Das ist es ja eben. Ich hätte es gleich sagen müssen. Aber ich war so verwirrt. Und Madame de Latour war dabei. Ich hätte dann sagen müssen, daß ich ihn schon erkannt habe, als ich hier ankam. Es kam mir damals schon komisch vor. Aber da war ich gerade vierzehn Tage hier. Und ganz sicher war ich mir erst auch nicht. Manchmal sehen sich Leute ähnlich, nicht wahr? Es hätte ja sein können, er hieß wirklich Bondy. Und dann war ich blamiert, wenn ich zu Madame gesagt hätte, er ist ein ganz anderer. Und ich war so neu hier.«
    »Nur mit der Ruhe«, sagte ich.

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