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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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Sutter im Hause ist?«
    »Madame Sutter ist weggefahren.«
    »Aha. Danke.«
    Ihre unbewegte Miene reizte mich. Dieses Mädchen war kalt wie Eis. Und wahrscheinlich hatte es sie geärgert, daß ich Annabelle heute geküßt hatte. Es ärgert Frauen immer, wenn man eine andere küßt.
    Aber ich sagte doch noch: »Falls mich jemand sucht, ich bin im Bad.«
    »Gut. Ich werde daran denken. Falls man Sie sucht …« Jetzt hatte ihre Stimme spöttisch geklungen. Der Teufel sollte sie holen!
    Im Bad befand sich ein großer Teil der Hotelgäste, sie lagen in der Sonne oder plantschten im Wasser herum. Es war keiner dabei, den ich kannte. Vielleicht hätte ich nach Renate Thorez und René fragen sollen. Ich hatte im stillen gehofft, ich würde sie sehen, im Rosengarten oder hier im Bad. Aber niemand war da. René fühlte sich nicht wohl, hatte Annabelle gesagt. Dann mußte er wohl in seinem Zimmer bleiben und traf Amigo nicht. Ein trauriger Tag für beide.
    Ich schwamm lange und ausführlich, blieb dann eine Weile im Gras sitzen und kam mir ein wenig überflüssig vor. Es war schon so weit, daß ich nichts mehr mit mir anzufangen wußte, wenn Annabelle nicht bei mir war. Sie war weggefahren. Wohin? Und warum sagte sie mir nichts davon?
    Ich zog mich wieder an, schlenderte durch den Park, besuchte die Pferde noch einmal – Jeannot war natürlich wieder nicht zu sehen – und spazierte dann am See entlang durch die Landschaft. Ziemlich weit vom Schloß entfernt, kurz vor der Nordspitze des Sees, traf ich René mit seiner Pflegerin. Er saß heute im Rollstuhl, sah blaß und unglücklich aus. Mit hängendem Kopf und gesenkter Rute folgte Amigo dem Rollstuhl.
    »Na«, sagte ich. »Was ist denn mit dir passiert?«
    »Es geht uns schlecht heute«, erwiderte an seiner Statt die Krankenschwester mit fröhlicher Miene. »Er hat sich den Magen verdorben. Das kommt davon, wenn man alles durcheinander ißt.«
    »Den Magen verdorben?« sagte ich und mußte gleich daran denken, daß ich den Jungen zu einem ungewohnten Frühstück verführt hatte. »Wie kommt denn das? Was hast du denn gegessen?«
    Wieder antwortete die Schwester. »Zuviel Schokolade. Und Bonbons. Die hat die Mami mitgebracht, nicht wahr, René? Aber das ist nicht gut für uns.«
    »Ich hab' gar nicht viel Schokolade gegessen«, sagte René. »Nur drei Stückchen.«
    »Auf jeden Fall hast du dich gestern abend übergeben. Und heute früh wieder. Das stimmt doch, oder?«
    Der Junge warf ihr einen bösen Blick zu und schwieg.
    »Wird schon wieder werden«, sagte ich. »Morgen ist dir besser, paß mal auf. Und wenn du jetzt an der Luft bist, wird dir das guttun.«
    Ich lächelte die Schwester an und sagte: »Soll ich ein bißchen schieben?«
    Sie lächelte zurück. »Das ist aber zu nett. Ja, das Ding ist ein bißchen anstrengend. Danke schön.«
    »Das ist ja auch ein ganz schönes Stück bis hierher, nicht? Ich staune, daß Sie so weit gekommen sind.«
    »Ja, ziemlich weit. Wir wollten gerade umkehren.«
    Ich übernahm den Griff des Stuhles und schob ihn weiter.
    »Wie fühlst du dich, René? Meinst du, wir könnten noch ein Stückchen weitergehen?«
    »Von mir aus«, murmelte er.
    »Ich möchte dir nämlich etwas zeigen. Das heißt, ich weiß nicht genau, ob es noch da ist. Früher, als ich ein kleiner Junge war und hier gewohnt habe, gab es das noch.«
    »Du hast hier gewohnt?«
    »Ja. Wußtest du das nicht?« Ich begann von meiner Kinderzeit zu erzählen und konnte von schräg oben sehen, daß sich das trübe Kindergesicht etwas aufhellte. Auch die Schwester hörte mir aufmerksam zu, machte manchmal kleine erstaunte Zwischenrufe und bedachte mich freigebig mit ihrem Lächeln.
    So kamen wir an das Nordende des Sees. Hier war es nicht mehr weit bis zur Landstraße. Ein schmaler Wiesenweg führte zu ihr, steil die Böschung hinan, und da oben sausten die Autos vorbei. Und hier war auch die Stelle, die ich suchte. Es bildete sich nämlich eine Art Landzunge, die ein Stück in den See hineinragte. Von dieser Stelle aus konnte man sie nicht sehen, nur das Gebüsch wurde dichter, und der See verbarg sich den Blicken. Der Weg führte an diesen Büschen entlang. Früher aber gab es zwischen dem Gebüsch einen schmalen Pfad, und siehe da, er fand sich wieder.
    »Da durch?« fragte René aufgeregt.
    »Wir wollen versuchen, ob wir mit deinem Vehikel durchkommen. Sonst trage ich dich.«
    Aber es ging. Die Büsche lichteten sich nach einer Weile, der Boden wurde moorig. Wir kamen auf

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