Der Mond im See
furchtbar sein für seine Mutter. Ich weiß auch nicht, warum es ihm so viel schlechter geht. Er war in den letzten Tagen doch ganz gut beieinander.«
Ich blies den Rauch in die Luft und sah ihm nach. »Es kommt von innen.«
»Wie meinen Sie das? Von innen?«
Ich wurde ein bißchen verlegen. »Na ja, ich meine nur. Ich bin kein Arzt. Aber es ist sein Herz. Oder seine Seele, wie Sie wollen. Dort müßte man anfangen, ihn zu kurieren. Er braucht ein wenig Freude.« Plötzlich wurde ich zornig und schlug mit der Hand auf die Rezeption. »Und darum, zum Teufel, sollten sie ihm den Hund gönnen. Damit er wenigstens etwas hat zum Liebhaben.«
»Sagen Sie das seiner Mutter.«
»Das werde ich.« Ich blickte das Mädchen an. Gerade in ihre hellgrauen Augen hinein. Ich dachte, sie würden spöttisch blicken. Aber sie war ganz ernst. »Sie werden vermutlich fragen, was mich das angeht?«
Sie hob ein wenig die Schultern und sagte leichthin: »Ach, wissen Sie, manchmal muß man sich auch um etwas kümmern, was einen nichts angeht. Man sollte es wenigstens versuchen. Es ist schön, wenn man so unabhängig ist, daß man es tun kann.«
Das hatte sie hübsch gesagt, die kleine Ungarin. Und ehe mir eine passende Antwort einfiel, fügte sie hinzu: »Man kann ja oft in den Dingen, die einen etwas angehen, nicht helfen und raten.«
Unsere Blicke trafen sich. Sie errötete. »Entschuldigen Sie«, sagte sie.
»Was?«
Sie hob die Schultern. Ihre Miene verschloß sich wieder.
»Übrigens, Madame Sutter ist zurück. Ich habe ihr ausgerichtet, daß Sie nach ihr gefragt haben. Sie möchten doch bitte nach dem Dinner in die Bar kommen, falls Sie Lust haben.«
»Danke«, sagte ich steif.
Falls ich Lust hätte. Nach dem Dinner. Und dieser Bursche aus Paris – war er schon da?
»Übrigens«, sagte ich, und es fiel mir schwer, die wenigen Worte auszusprechen. »Ist der Besuch von Madame Sutter schon angekommen?«
»Ja,«, antwortete Ilona kühl und geschäftsmäßig. »Die Herren sind vor einer Stunde eingetroffen.«
»Danke«, sagte ich noch einmal.
Ich vermied die Bar. Möglicherweise saßen sie beim Aperitif.
Ich fing Emilio zwischen Restaurant und Küche ab. Er strahlte, als er mich sah. »Uno momento, Signore.« Und ein paar Minuten später hätte ich mein Päckchen und Emilio seine Fränkli.
Ich ging an diesem Abend nicht in die Bar.
Und ich ritt am nächsten Morgen allein aus. Ich wartete eine Weile im Stall, doch Annabelle kam nicht. Und während meines Rittes, ein schöner langer Ritt von fast drei Stunden, hatte ich Zeit genug, mich an den Gedanken zu gewöhnen, daß sie in der vergangenen Nacht vermutlich bei diesem Yves aus Paris geschlafen hatte. Sie lebte bei ihm, wenn sie sich in Paris aufhielt. Er war jetzt hierhergekommen. Und sie hatte die Absicht, ihn zu heiraten.
»Siehst du, Bojar«, sagte ich, »so ist das bei mir. Ich kann die Frau, die ich liebe, nicht bekommen. Das war damals so, das ist heute so. Ich werde es überleben. Sie ist nicht die einzige Frau auf der Welt. Und wenn sie eben nicht will, dann kann man nichts machen.«
Bojar gab sich alle Mühe, mich meinen Kummer vergessen zu machen. Er benahm sich musterhaft. Er hatte wunderbare Gänge, und trotz meines Trübsinns freuten wir uns aneinander.
Nein, Annabelle war nicht das ganze Leben. Es gab anderes, was einen erfreuen konnte. Ein gutes Pferd unter dem Sattel beispielsweise, Arbeit, die einem Spaß machte, dieses helle Sommerland hier, gute Freunde, und, Herrgottnochmal – es würde auch andere Frauen geben.
Nach dem Ritt kehrte ich sofort nach Hause zurück, zog mich um, erklärte den Damen, daß ich zum Mittagessen nicht dasein würde, bestieg mein Automobil und begann eine Runde um den See. Mal gucken, wie es anderswo aussah. In Tengern fuhr ich hinab zum Ufer und badete heute mal im öffentlichen Bad. Übrigens hatten sie dieses Bad erweitert, es war gepflegt und hübsch angelegt, auch gut besucht an diesem Tag, denn es war Samstag, und eine Anzahl Wochenendler hatte sich eingefunden. Nicht weit von der Badeanstalt entfernt entdeckte ich ein hübsches kleines Hotel, neu gebaut, nett anzusehen, mit einer großen Terrasse über dem See. Gar nicht schlecht, nicht so hochgestochen wie das Schloßhotel, sehr gemütlich, sicher gab es hier gut zu essen. Aber zum Mittagessen war es noch zu früh. Und um im Bad liegen zu bleiben, fühlte ich mich zu ruhelos.
Ich fuhr also weiter nach Süden, umrundete den See und fuhr dann auf der Westseite
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