Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
Vom Netzwerk:
natürlich schon«, sagte ich gereizt, »das ist doch das erste, woran man denkt.«
    Er musterte mich kurz mit gerunzelter Stirn. »Dann vielleicht in den Badehütten?«
    »Da haben wir auch nachgesehen.«
    »Bei den Ställen?«
    »Nirgends. Und nicht in der Kabine beim Tennisplatz, und nicht im Bootsschuppen, überhaupt unter keinem so kleinen Dach, das auf diesem Grundstück zu finden ist.«
    »Hm.« Er überlegte weiter. »Dann sind sie eben aus dem Park hinausgefahren und im Ort gelandet.«
    »Das kann natürlich sein«, gab ich zu. »Aber ich halte es für unwahrscheinlich.«
    »Nicht unwahrscheinlicher als das, was Sie denken«, antwortete der Sheriff nicht ohne Logik. »Das Kind ist gelähmt?«
    »Nein, nicht direkt gelähmt. Nur gehbehindert und kränklich«, sagte ich und überlegte rasch, ob ich alles andere berichten sollte, was ich noch dachte und vermutete. Daß Jacques Thorez seinen Sohn entführt hätte, daß die Pflegerin im Komplott mit einem Erpresser stehen könnte, das Rendezvous, das sie mit einem Unbekannten an diesem Vormittag in Marnbach gehabt hatte. Aber ich entschied, daß ich zunächst über alle diese Dinge schwieg. Erstens wußte man nichts, und Vermutungen und Verdächtigungen waren immer von Übel in einem Fall, der vor allem entschlossenes Handeln verlangte, und zweitens würden wir dann morgen früh noch hier stehen, ohne etwas unternommen zu haben. Man durfte Wachtmeister Schnyder nicht zuviel zumuten, und kriminalistischer Scharfsinn war nicht seine starke Seite.
    Nun verlangte er die Mutter des Kindes zu sprechen.
    »Das ist unmöglich«, rief ich schnell.
    »Warum?« fragte er mit strengem Blick.
    »Sie weiß bis jetzt nichts vom Verschwinden des Jungen.«
    »Na, das ist doch – die eigene Mutter weiß es nicht?«
    »Wir haben es ihr verschwiegen. Es würde sie zu sehr aufregen.«
    Er sah uns alle der Reihe nach an, als seien wir nicht ganz bei Trost. – Lieber Himmel, wie bekam man diesen Elefanten in Gang?
    Im Hintergrund der Halle waren einigemal Hotelgäste aufgetaucht, auch neugierige Kellnergesichter hatten sich gezeigt. Der eine oder andere hatte wohl inzwischen gemerkt, daß etwas Außergewöhnliches geschehen war. Der Sheriff hatte die Leute jedesmal barsch verscheucht und seinen schüchternen Adjutanten an den Durchgang zum inneren Haus gestellt und ihn beauftragt, keinen vorbeizulassen.
    Zufällig sah ich, daß auch dem Kriminalrat a.D. Baumer das gleiche Geschick drohte, und griff ein. Der kam mir gerade recht. Ich durchquerte die Halle, schob den jungen Polizisten beiseite und zog Herrn Baumer einfach in unseren Kreis.
    »Was, zum Teufel …« Der Sheriff wollte ärgerlich losschimpfen, aber ich sagte rasch: »Ein Fachmann, Wachtmeister. Dies ist Kriminalrat Baumer. Man könnte ihn fragen, ob er etwas gesehen hat, und seine Meinung zu dem Fall hören.«
    Der Sheriff schien damit nicht einverstanden, er musterte den armen Baumer nur wegwerfend, aber ich ließ mich nicht beeindrucken und erzählte in hastigen Worten, was los war. Auch zu welchen Ergebnissen wir bei unseren Überlegungen gekommen waren. Baumer nickte. Dann faßte er alles in wenigen Sätzen zusammen.
    »Sowohl als auch«, sagte er. »Es kann ein Verbrechen vorliegen, ein Unfall oder einfach eine Verspätung durch das Unwetter. Es ist gut möglich, daß sich die Schwester aus dem Park entfernt hat. Soviel ich weiß, waren Sie erst vorgestern mit ihr am Nordende des Sees, nicht wahr?«
    »Ja«, ich nickte verblüfft, überrascht, daß er das wußte.
    »Ich habe sie selbst einmal mit dem Rollstuhl und dem Kind getroffen in der anderen Richtung, also nach Süden zu. Das war in den ersten Tagen meines Hierseins. Man kommt dort, wenn man ein Stück die Landstraße vom Schloß aus entlanggeht und sich dann nach links wendet, also ostwärts, auf einen sehr bequemen, ebenen Weg, der mit dem Rollstuhl ohne weiteres zu befahren ist. Dort fuhr sie damals mit dem Kind spazieren. Übrigens in Begleitung des Herrn Bondy, fällt mir gerade ein, mit dem sie sich angeregt unterhielt. Wenn sie heute wieder dorthingefahren ist, kann es sein, daß sie den Rückweg bei dem Unwetter nicht gewagt hat. Es kann etwas passiert sein. Der Rollstuhl kann kaputtgegangen sein, auch sonst kann etwas geschehen sein. Dort ist auch ein Stück im Wald drin ein kleines Häuschen. Vielleicht hat sie dort Schutz gefunden.«
    Das klang plausibel. Auch dem Sheriff.
    »Dort wohnt der Buschner«, meinte er, ganz friedlich, offensichtlich

Weitere Kostenlose Bücher