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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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Gespräch geheimzuhalten. Es sind mir zu viele Leute hier, Leute, die wir nicht kennen, die vielleicht beobachten, was geschieht. Kidnapper legen Wert darauf, die Polizei ausgeschaltet zu sehen.«
    »Die Polizei ist ja bereits anwesend«, meinte ich.
    »Trotzdem. Besser ist besser.«
    Daraufhin telefonierte Wachtmeister Schnyder von Madame Hélènes Büro aus mit A. konnte jedoch den Kommissär nicht erreichen.
    Später am Abend, es mochte so gegen zehn sein, und es hatte aufgehört zu regnen, machte ich mich noch einmal auf die Suche. Ich konnte nicht Schlafengehen. Und ich konnte nicht in der Halle sitzen und untätig vor mich hinstarren. Wir waren jetzt alle sehr kleinlaut geworden, auch der Sheriff. Und langsam zweifelte keiner mehr daran, daß etwas passiert sei.
    Ich hatte ein paar Schnäpse getrunken, einen Mantel angezogen und ging los. Ich wußte eigentlich nicht, wohin. Den Park hatten wir durchsucht, soweit es in der Dunkelheit möglich war. Morgen, so hatte der Sheriff finster angekündigt, werde man den See absuchen.
    Ich stieg die Stufen hinunter, die zu den Ställen führten. Plötzlich hörte ich eilige Schritte hinter mir. Ich blieb stehen und wandte mich um.
    Ilona.
    »Wo wollen Sie denn hin?«
    »Nehmen Sie mich mit. Ich halte es oben nicht mehr aus.«
    »Haben Sie etwas angezogen?«
    »Ja.« Sie trug genau wie ich einen Regenmantel. Ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, es war zu dunkel. Hinter mir tappte sie die schmale Steintreppe hinab.
    »So ein Blödsinn«, schimpfte ich. »Warum gehen Sie nicht ins Bett?«
    »Ich kann doch nicht ins Bett gehen.«
    »Hier nützen Sie mir auch nichts.«
    »Wo wollen Sie denn eigentlich hin?«
    »Das weiß ich auch nicht.«
    Bei den Ställen war es still, der vertraute, warme Geruch, der wunderbare Duft nach Pferden, der vom Stall herkam, tat mir wohl.
    »Heute früh haben wir hier noch Pferde geputzt«, murmelte ich.
    »Ja«, sagte sie. »Das war schön.«
    »Wo ist eigentlich dieser Jeannot?«
    »Er hat zwei kleine Kammern direkt hinter dem Stall.«
    »Sehen wir mal nach.«
    Die Kammern waren da. Aber sie waren leer.
    »Na, das hätte man sich ja denken können. Der ist nie da. Wahrscheinlich hat er sich irgendwo eine Freundin angelacht.«
    »Der?« fragte Ilona verächtlich. »Das glauben Sie doch selber nicht.«
    »Warum denn nicht. Er ist doch ein ganz hübscher Junge.«
    »Schon. Aber nicht für Frauen.«
    »Ach?« Ich staunte. Manchmal war ich reichlich naiv. Aber es leuchtete mir sofort ein. Dieses hübsche Milchgesicht, die Mädchenhände, das zaghafte Getue.
    Gestern abend erst hatte mir Renate ein paar Andeutungen über Annabelles Verehrer Yves gemacht. Und nun heute der zweite Fall. Nachgerade gab es hier eine Menge komischer Zufälle. Das Schloß hier wurde mir immer unheimlicher.
    »Haben Sie nicht gesagt, er hat heute den Rollstuhl heruntergetragen?«
    »Ja. Der Hausdiener war nicht da.«
    Als ich am ersten Tag zum Stall kam, hatte ich die blonde Dorette bei Jeannot vorgefunden. Wenn es so war, wie Ilona angedeutet hatte, würden sie kaum geflirtet haben. Was hatte das Frauenzimmer also hier zu suchen gehabt?
    Nun, möglicherweise René. Der war ihr ja damals fortgelaufen, ich traf ihn im Bad. Ich mußte mich davor hüten, alle Leute zu verdächtigen. Ein kleiner Schwuler mußte nicht unbedingt ein Kidnapper sein.
    Aber komisch war es.
    Unwillkürlich hatte ich mich nach rechts gewandt, dem Unterschlupf zu, der aus dem Park ins Freie führte. Hier war ich zwar heute auch schon mal gelaufen. Warum ich wieder hierherging, ich weiß es nicht.
    Im Park war es dunkel. Nasse Zweige streiften meine Wange. Ilona stolperte über eine Baumwurzel und stöhnte.
    »Haben Sie sich weh getan?«
    »Ein bißchen.«
    »Gehen Sie lieber hinauf.«
    »Ich fürchte mich allein«, flüsterte sie.
    Hm. Das verstand ich. Irgend etwas war nicht geheuer hierzulande. Es passierten zu viele merkwürdige Dinge.
    »Und wenn ich dabei bin, fürchten Sie sich nicht?«
    »Nein«, sagte sie und sonst nichts.
    Als wir aus dem Park herauskamen, war es nicht mehr ganz so dunkel. Man kam wenigstens nicht mehr vom Weg ab. Und langsam teilten sich die Wolken etwas, zogen zwar immer noch stürmisch über den Himmel, aber manchmal tauchte in einer Wolkenschlucht der Mond auf, weiß und gläsern.
    Der Vollmond. Ja, heute war Vollmond. Er sah aus, als jage er taumelnd über den Himmel, mitgezogen von den wilden Wolken.
    Wir liefen schweigend nebeneinander. Erst als wir zum Nordende des Sees

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