Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Augen. Verdammt noch mal. Ich muss sie nicht lieben oder ihren hochadeligen Eltern die Hand küssen. Aber ab morgen früh, werde ich versuchen, nett zu ihr zu sein. Da muss ich mich halt ein paar Tage lang überwinden. Dafür, freundlich gewesen zu sein, muss ich mich nachher jedenfalls nicht schämen. Ich habe eine viel zu weiche Seite. Dazu sollte ich stehen.
Glücklich darüber, diese Entscheidung getroffen zu haben, schlief er langsam ein. Ach du altes Stacheltier – so nannte er sich selbst in diesem Moment in Gedanken, - wenn du schon dabei bist, gesteh dir auch ein, dass du die Kleine mittlerweile ganz gut leiden kannst.
*
Verena kam wieder zu Kräften und dafür war sie diesem Ekelpaket von einem Mann unendlich dankbar. Er tat alles für sie. Er brachte ihr reichhaltige, meist sogar leckere Nahrung und sauberes Trinkwasser, verhinderte dass sie giftige Schalen mitaß. Er besorgte ihr Pflanzen, die im zerriebenen Zustand einen seifigen Schaum bildeten, und bestand darauf, dass sie sich damit wusch. Er sicherte den Lagerplatz meisterhaft und rettete sie immer wieder davor, von einer Schlange oder einem Skorpion erwischt zu werden. Er kannte Pflanzen, mit denen man sich einreiben konnte, um vor Stechtieren und Egeln gefeit zu sein, und rieb sie damit ein, bis sie es begriffen hatte. Ihre Wunden versorgte er sachkundig und er flößte ihr Mixturen ein, die sie für pflanzliche Medizin hielt.
Das war die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite ließ er sie bei allem, was er tat, seine Geringschätzung spüren. Fast wünschte sie, er würde sie stattdessen noch einmal schlagen. Hingeworfenes Essen, Medizin, die ihr verabreicht wurde, als sei sie zu beschränkt, selbstständig zu trinken, oder auch die Verachtung, mit der er zuschaute, wie sie nackt herumstolperte und ihr dann ruckzuck eine unförmige Bekleidung zuschnitt, all das zermürbte sie ungemein. Gewiss hätte sie mit einiger Mühe etwas Ähnliches aus der Decke schneidern können. Aber die gehörte nun einmal ihrem Retter, und reizbar, wie der war, wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, sein Eigentum zu zerstören. Was sie machte, machte sie falsch. Wenn sie nicht jagte, warf er ihr Blicke zu, die deutlich zeigten, dass er sie für faul hielt. Erschlug sie eine Schlange, um ihren Beitrag zu leisten, schaute er entsetzt drein und demonstrierte dann, wie mühelos er das Gleiche mit seinem Speer erledigen konnte. Das wäre nicht so schwer zu ertragen, wenn er damit angeben wollte. Nein, er will mir zeigen, dass ich unfähig bin. Und damit hat er nicht unrecht.
Auf diese Art und Weise ging es auch nach dem unvermittelten Aufbruch weiter. Außer scharfen Kommandos bekam sie von ihm nichtsmehr zu hören. Hätte sie nicht gelegentlich mitbekommen, wie er flüssig und melodisch mit sich selbst sprach, hätte sie vermutet, er sei zu richtiger Sprache nicht fähig. Den Fehler, ihn auf Deutsch anzusprechen, machte sie bald nicht mehr, denn daraufhin wurde er stets so wütend, dass Verena befürchtete, von ihm gemeuchelt zu werden. Fassen wir es ruhig zusammen: Selbst Bernd hat mich in seinen schlechtesten Stunden nicht so runtermachen können. Der Unterschied ist, dass Bernd nicht halb so bewundernswert war. Dieser Barwarin ist wie gemacht für ein Leben hier. Er kommt mit jeder Situation perfekt zurecht, kann großartig klettern, jagen Pflanzen suchen und so weiter. Er sieht auch verdammt gut aus, auf seine ungewöhnliche Art. Am seltsamsten ist es, wenn er mit seinen Affenfüßen mit Dingen hantiert, als hätte er da unten ein zweites Paar Hände. Nein, Bernd könnte nur davon träumen, einmal so durchtrainiert zu sein, wie dieses Schmuckstück. Wäre der Mann ein wenig nett zu mir, würde ich mich sofort in ihn verlieben.
Verena hielt es einige Tage aus. Sie hatte nicht gezählt, versuchte einfach ihre Sache so gut wie möglich zu machen, lächelte immer wieder, zeigte ihm Obst, das sie für essbar hielt, oder versuchte mit Zeichensprache mit ihm zu kommunizieren oder die Wörter zu verwenden, die er ihr immer wieder an den Kopf warf. „Schneller! Loslaufen! Iss! Trink! Nein! Stopp!“, diese Bedeutungen zu erfassen war ihr nicht schwergefallen. Immerhin zögerte Barwarin nie, sie, durch grobes Schubsen oder dadurch dass er ihr das Essen, das er zuvor hingeworfen hatte, förmlich in ihren Mund stopfte, unmissverständlich darauf hinzuweisen, was er erwartete.
Für ihre Bemühungen bekam sie stets nur Verachtung zurück. Ihr geradeerst
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