Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
weiter abgestiegen. Es ist ein Wunder und ich habe den ganzen Weg runter deswegen gebetet: Niemand ist bei der Aktion ernsthaft zu Schaden gekommen! Dabei ist das Wasser, während wir abstiegen, noch weiter gestiegen.
Das Tal ist vollkommen blockiert. Es gibt keine Möglichkeit mehr, da hochzukommen, bevor die Hitze hier unten nachlässt.“
Lena hatte ihren Bericht gerade abgeschlossen, da musste sich Katja erneut übergeben. „Verdammt, Katja du blöde Kuh! Ich hab schon vor Tagen gesagt, dass du nicht gut aussiehst!“, fuhr Lena ihre Freundin ernsthaft verärgert an. „Und du kannst nicht einmal eine kleine Pause einlegen, um dich auszukurieren! Weiß der Doktor wenigstens davon? Nein? Hab´ ich´s mir doch gedacht! Als ob uns dein blödsinniges ´ich arbeite mich tot´ jetzt noch helfen könnte. Ich hole Benthan sofort!“
*
„Lena, warte!“, hielt sie Katja zurück. „Ja, rufe mir unseren Doktor herein! Aber gehe danach bitte unverzüglich los und hole unsere ganze Gruppe her. Ich meine: keinen von den Einheimischen aber alle von der Erde. Sobald der Doktor mich untersucht hat, möchte ich eine Besprechung. Wir stecken mit der Handelsgesellschaft tief im Dreck, wenn wir nicht mehr auf das Plateau kommen! Darüber müssen wir sprechen, bevor ich noch kränker werden kann. Okay?“
Als es noch darum gegangen war, die festsitzenden Menschen vom Berg zu retten, hatte Lena nie wirklich Angst gehabt. Sie war jung und stark und hatte gute, verlässliche Freunde an ihrer Seite, außerdem gab es etwas, das sie tun konnte, die Lage aller zu verbessern. Als sie alle in Gefahr geratenen wohlbehalten den Berg hinabführen konnte, war sie erst mal stolz und glücklich, wenn auch sehr erschöpft. Die späteren Konsequenzen des steigenden Wassers erschienen ihr da noch als Nebensachen. In dem Gespräch mit Katja war ihr erst richtig aufgegangen, dass sie nicht einschätzen konnte, was es für die Handelsgesellschaft bedeuten würde, monatelang von ihrer zentralen Existenzgrundlage abgeschnitten zu sein. Katjas knappe und vernichtende Einschätzung der Lage hatte ihrer Furcht endgültig einen breiten und bequemen Pfad geschlagen, auf dem sie sich bis in den letzten Winkel ihres Bewusstseins ausbreiten konnte. Während sie mit ihren Freunden darauf wartete, dass der Doktor Katja fertig untersucht hatte, durchlitt sie schreckliche Existenzängste. Dazu kam noch die bange Frage, wie schlimm Katjas Krankheit wäre. Auf einer fremden Welt an einer Tropenkrankheit zu krepieren, gehörte durchaus zu den Horrorszenarien, die sich Lena schon ausgemalt hatte. Die enge Bindung an einen einheimischen Arzt hatten sie nicht zufällig gesucht. Benthan war der einzige Einheimische, dem sie ihre wahre Geschichte anvertraut hatten.
Mit Infektionskrankheiten haben sie hier viel Erfahrung, versuchte sich Lena zu beruhigen. Doch sie konnte sich nicht dazu bringen, sich keine Sorgen um ihre Freundin zu machen.
Doktor Benthan kam aus Katjas Büro, schloss die Tür hinter sich und räusperte sich vernehmlich: „Katja hat keine bedrohliche Krankheit, so viel und nicht mehr erlaubte sie mir, euch auszurichten. Ich gab ihr ein sanftes Mittel wider ihre Beschwerden und konnte sie sogar überreden euch erst einzulassen, wenn die Wirkung einsetzt. Auch wenn sie nicht in Gefahr ist, wird sie, sofern meine Diagnose sich bestätigt, in den nächsten Tagen und im kommenden Jahr nicht immer in bester Verfassung sein. Bitte seid rücksichtsvoll. Stellt ihr keine törichten Fragen, ehe die Besprechung zu Ende ist!“, fügte Benthan streng hinzu. „Ich werde jetzt noch einige Tests ausführen, um ganz sicher zu sein. Außerdem sehe ich mich gezwungen, mich weiter um verletzte Arbeiter zu bemühen.“
Nach genau einer Dreiviertelstunde öffnete sich Katjas Tür erneut, und sie kam bleich aber mit einem aufrichtig wirkenden Lächeln heraus.
Gott sei Dank. Es geht ihr tatsächlich besser. Ich dachte schon der Doktor hätte uns auf Katjas Bitte hin etwas vorgeschwindelt. Er wirkte jedenfalls auf mich wie jemand, dem es nicht gefällt, die Wahrheit verdrehen zu müssen. Das hier ist zwar keine sorglose Katja, aber auch keine, die eben erfahren hat, dass sie sterben muss. Außerdem wirkt sie … hmh … zuversichtlich?
„Es tut mir leid, dass ich euch habe warten lassen“, begrüßte Katja ihre Freunde. „Und es tut mir noch viel mehr leid, dass ich unser Unternehmen nicht besser geleitet habe. Kurz gesagt: Wir hatten schon genug
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