Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
knapp werden, gehen die Kunden lieber wieder in die Stadt. Dort müssten wir dann sogar Standgebühren bezahlen, wenn wir im Geschäft bleiben wollten. Wir hätten keinerlei Spielraum für Investitionen. Wenn das Geschäft auf diese Art Stück für Stück scheitert, bleibt uns nur noch das Flugzeug selbst. Überleben wir bis zum nächsten weniger verteufelt heißen Wetter, könnten wir vielleicht schwer angeschlagen, von einem niedrigeren Niveau aus, unsere Geschäfte langsam wieder hochfahren. Ohne die Mittel den Aufzug fertig bauen zu lassen, stünden wir aber bald vor dem nächsten Tauwetter.
Es gibt eine dritte Möglichkeit: Wir unterbrechen für die schlechte Saison unser Plateaugeschäft, expandieren dafür aber mit ganzer Macht in andere Bereiche. Wir steigen sofort groß in den Hochseehandel und den Binnenhandel ein und treiben zumindest unser Prestigeprojekt, den Bau des Aufzugs weiter voran. Das ginge, indem wir diesmal von hier unten beginnend, eine durchgehende Wartungstreppe schlagen ließen. Darauf könnten wir dann auch wenigstens wieder einige Arbeiter hochschicken und mit der bewährten Runterwerf-Methode dauerhaft eingeschränkte Lieferungen garantieren. Auf diese Weise müssten wir keine Arbeiter entlassen, jedenfalls keine, die bereit wären auch in anderen Bereichen für uns zu arbeiten als bisher. Natürlich haben wir die Mittel für diesen Plan nicht. Nicht einmal ansatzweise. Wir bräuchten große Investoren. Als wichtigste Teilhaber kommen dabei nur die Waldläufergilde und die Stadt selbst infrage. Daneben können wir noch bei Händlern hausieren gehen aber bei denen herrscht Misstrauen. Der Vorteil, falls es uns gelingt die Investoren zu überzeugen und nicht zu scheitern, liegt auf der Hand: Wir wären genauso dick oder noch fetter im Geschäft. Der Nachteil: Das Unternehmen gehört uns nicht mehr wirklich, und wenn wir scheitern, bleibt uns nichteinmal mehr das Flugzeug. Wir müssten uns eine neue Existenz aufbauen und hätten alle Vorteile verspielt.
Bevor ihr euch für und wider eine dieser Möglichkeiten aussprecht, möchte ich erst mal Folgendes wissen: Seht ihr noch einen vierten oder fünften gangbaren Weg? Und: Habe ich die Risiken, Chancen und Möglichkeiten der einzelnen Wege korrekt beschrieben?“
Alf meldete sich als Erster zu Wort. „Egal ob wir den ´einfach nur durchhalten´ oder den ´volle Kraft voraus, auch wenn es unser Untergang sein sollte´- Weg wählen würden: In beiden Fällen hätten wir die Möglichkeit unsere Mitarbeiter mit ins Boot zu holen, indem wir anstatt von Teilen des Lohns, Optionen auf künftige Gewinne auszahlen.“
„Kein schlechter Gedanke, Alf“, lobte Katja.
„Wenn wir wenigstens einige Investoren finden könnten, würde uns das auch mit der zweiten Option sehr viel weiter helfen“, erklärte Helmut Pilcher. „Ich meine, wenn wir einmal damit anfingen, Anteilseigner zu suchen, und nicht genug fänden, würden wir die, die wir schon am Haken haben, kaum wieder fortschicken, sondern mit den eingesammelten Geldern das am Leben erhalten, was wir haben.“
Es folgten noch einige kleinere Einwände, Vorschläge und Nachfragen, jedoch keine grundlegend neuen Ansätze.
„Gut! Weiß schon jemand von euch, welchen Weg ihr bevorzugen würdet? Wer traut sich zuerst?“, fragte Katja in die Runde.
Emily und Helmut sahen sich kurz an und nickten sich zu. Lena war es gewohnt, dass das alte Ehepaar sich ohne Worte darüber einig werden konnte, was beide zu einem wichtigen Thema meinten. Es war Emily, die in diesem Fall die einhellige Ansicht der Pilcher-Fraktion vertrat: „Wir sind der Ansicht, dass es auf jeden Fall einen Versuch Wert ist, nach Investoren zu suchen. Wenn dabei gar nichts rauskommen sollte, wäre ein voller Rückzug angebracht. Ansonsten die Fortsetzung oder Erweiterung der Geschäfte, je nachdem wozu es ausreicht. Wenn wir das Unternehmen selbst führen müssten, würden wir anders entscheiden, weil wir zu alt für so was sind. Aber ihr seid noch jung. Macht etwas daraus.“
Alle anderen blieben erst einmal stumm und dachten wohl noch einmal darüber nach, was die Pilchers gesagt hatten. Katja ließ allerdings keine zu lange Unterbrechung zu und forderte als Nächstes Rolf auf, etwas zu sagen.
„Äh. Ich will nicht, dass Lena mir die Augen auskratzt“, begann dieser als sei das tatsächlich seine größte Sorge. Die Bemerkung wurde mit nervösem Gelächter quittiert. Die Vorstellung, wie die Naturgewalt namens Rolf sich
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