Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Tor zu übertönen.
„Ja?“
„Die lassen uns hier nicht mehr durch. Ich bin Waldläuferin. Wenn Ihr mir den Weg zum nächsten größeren zusammenhängenden Waldstück in der Stadt zeigen könntet, wären wir dort vielleicht in Sicherheit. Was könnt Ihr mir über unsere Lage sagen?“
„Der nächste Wald ist der Unterstadtpark, in dieser Richtung dort“, antwortete die Frau zunächst bereitwillig. Ich finde aber, wenn wir nicht rauskommen, wäre die Oberstadt sicherer. Das hieße dann da lang ….“ Sie verstummte kurz. In ihrem Gesicht begann sich ein übler, gerade aufkommender Verdacht immer deutlicher abzuzeichnen: „Hey, Moment mal! Du bist Ausländerin und fragst nach dem Weg und, wie unsere Verteidigung dasteht? Wer sagt mir, dass du keine Spionin bist?“
Verdammt, es ist also doch möglich, die Aufmerksamkeit der Wachen und dieser Wutbürger auf sich zu ziehen. Nur leider werden sie mir jetzt nicht mehr zuhören!
Eine wütende, waffenschwingende Meute unter Führung zweier Schutzpolizisten verfolgte Verena. Sie war klug genug, nicht anzuhalten und ihre Motive zu erklären. Nachdem das Wort „Spionin“, gefallen war, hatten einige Umstehende sofort rot gesehen. Verena rannte um ihr Leben. Hände griffen ihre Schultern. Kurz darauf flog der schnellste ihrer Verfolger im hohen Bogen über ihre Schulter. Vermutlich würde der muskelbepackte Kerl üble Schrammen davontragen, bevor es seinen Kumpanen gelungen war, ihn wieder aus dem Dornicht zu ziehen, in dem er gelandet war.
Verena verschwand kurz darauf in den Wipfeln des Unterstadtparks und stellte fest, dass sie nichtmehr verfolgt wurde. Die Menschen, die ihr nun begegneten, schienen eher davon auszugehen, dass sie vor den unbekannten Invasoren hierher geflohen war. Man begann, sie mit Fragen zu bestürmen, und es dauerte nicht lange, bis die Leute ihr Erstaunen ausdrückten, mit welcher Berühmtheit sie es hier zu tun hatten.
*
Mira skizzierte das, was Bernd zuvor als „große Momente in der Geschichte einer glorreichen Eroberung“, bezeichnet hatte. Dreckschwein! Abschaum! Anführer einer räudigen Mörderbande, dachte sie voll ohnmächtiger Wut. Dieser Wichser glaubt noch, dass er mir einen Gefallen getan hat, indem er dafür gesorgt hat, dass ich mitkommen muss, um die Verbrechen von ihm und seinen Schergen zu verherrlichen!
Es hatte ihr kaum Befriedigung verschafft, Bernd auf ihrer Skizze, die den ´triumphalen Überraschungsangriff auf den Hafen der bald befreiten Stadt´ illustrierte, mit dem Gesichtsausdruck eines Minderbemittelten zu versehen. Zweihundert Schiffe waren, nachdem Agenten alle Beobachtungsposten und die wichtigsten Verteidigungsstellungen im Hafen ausgeschaltet hatten, ungehindert und von brausenden Winden getrieben in den Hafenbereich eingefahren. Sie hatten sofort das Feuer auf die wenigen dort liegenden Schiffe eröffnet, die spontan in der Lage gewesen wären, Widerstand zu leisten. ´Fanal der Freiheit´ sollte nun das Bild heißen, das einen der ´Großen Anführer´, Bernd, vor einer Kulisse aus brennenden und sinkenden Handelsschiffen in Szene setzte. Wenn es ihnen nicht passt, dass Bernd darauf wie ein einfältiger Trottel wirkt, werde ich wieder geschlagen und muss alles noch einmal malen. Ich werde es trotzdem versuchen. Ich hoffe, er krepiert in einem von diesen Scharmützeln.
*
„Männer! Wurfhaken bereit! Wir nehmen dieses Kastell wie das Letzte in einem einzigen Ansturm“, befahl Bernd.
Seine Aufgabe bestand darin, die wenigen strategischen Punkte in den Außenbezirken zu besetzen, bevor sich Widerstand formieren konnte. Schon die Festung vor den seeseitigen Toren war, ohne eine effektive Gegenwehr, in die Hände der Invasoren unter Bernds Führung gefallen. Der politisch opportune Terminus war natürlich nicht ´Invasoren´, sondern ´Befreier´, und Bernd hielt sich stets an die offizielle Sprachregelung. Das bedeutete aber nicht, dass er an diese Propagandaversion der Realität glaubte.
„Reserve der linken Flanke! Achtung! Alle Schützeneinheiten! Konzentriertes Feuer auf die Mauern links vom Haupttor, bis ich den Befehl gebe, dass die Reservetruppen die Flanke stürmen sollen!“
Bernd hatte beim letzten Sturmangriff eine eher oberflächliche Wunde von einer Axt im Schulterbereich abbekommen. Daher konnte er jetzt nicht über die Mauer klettern und musste sich darauf beschränken, seinen Leuten Kommandos zu geben.
Erst stürmten Teile seiner Spezialeinheit in breiter Front die
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