Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
die Peinlichkeit empfunden, dass, während ihm das Blut seiner Mitstreiter und Gegner ins Gesicht spritzte, vorne wie hinten etwas feuchtes und unappetitliches in seinen ledernen Hosen herablief.
Ein Schleuderstein traf ihn seitlich an der Schläfe. Konstantin schrie vor Schmerz auf und taumelte ein Stück nach vorne auf die tödlichen Spieße und Schwerter der Angreifer zu. Es war eine Ironie des Schicksals, dass seine Kampfgefährten darin scheinbar einen wütenden, entschlossenen Vorstoß sahen und mit neuem Mut und gesteigertem Zorn zum Angriff übergingen. Allerdings rettete dieser Umstand Konstantin in diesem Kampf das Leben. Etwas später blieb seine Dienstaxt zum zweiten Mal in seinem Leben in einem anderen Menschen, einer jungen Frau stecken. Vaíl! Wieso musste es für uns so enden?, dachte er noch.
Stunden später kam er zu sich und stellte fest, dass er in einer ruhigen Seitengasse stand und unfokussiert auf eine kahle Grundstücksmauer starrte.
*
Rolf war in seinem Element. Verräter aus der Familie Saladans hatten tatsächlich einen Versuch unternommen, die nur mit einzelnen Wachen besetzten Geschützstellungen auf der höchsten Ebene in ihre Gewalt zu bringen. Von hieraus wollten sie strategische Ziele in der Neustadt zu ihren Füßen beschießen.
„Jahhaah!“, schrie Rolf voller Kampfeslust heraus. Hier gab es niemanden, der ihm gewachsen gewesen wäre. Gerade drang wieder einer der Verräter, der sich vorsorglich eine lederne Rüstung angelegt hatte, auf Vilana ein. Rolf machte eine rasche Drehung. Seine Klinge schnitt mit brachialer Gewalt in Bauchhöhe durch den gegnerischen Lederharnisch. Sie hielt nicht an, bevor sie den Mann, seines unvollkommenen Schutzes zum Trotz, vollständig in eine obere und untere Hälfte zerteilt hatte.
Vilana versuchte, mit einer kleinen Armbrust ihrerseits die hartnäckigsten Verschwörer in Schach zu halten, und ihre Verwandtschaft trug das ihrige bei. Ihre Erfolge gegen die Gegner, die besser vorbereitet in diesen Kampf gegangen waren, verdankten sie letzten Endes komplett Rolf. Vilana begriff, welche Waffe Rolf für ihre Seite darstellte und begann, absichtlich vorneweg zu stürmen, damit Rolf sich keine Zurückhaltung auferlegte und zu ihrem Schutz zurückblieb.
Da war noch eine letzte Aufrührerin. Die Frau hatte in einer gutgesicherten Kaverne die Fahne Lianta Xintalls gehisst. Mit einem Bogen hielt sie sich die heranstürmenden Verteidiger vom Hals. Zwischendurch fand sie sogar die Zeit, das Speergeschütz in ihrer Stellung in Position zu zerren, um den Zugangspfad damit freizuräumen. Die Waffe war bereits geladen.
Vilana kriegst du nich´! Du Scheißtussi!
Rolf brüllte erneut wie ein Stier auf, ergriff einen Felsbrocken, der fast so groß war wie der Kopf der Verschwörerin und schleuderte ihn auf die Deckung. „Volltreffer! Mitten in deinen fetten Bauch!“, johlte er voller Stolz. Seine Mitstreiter nutzten die Gelegenheit, dieses letzte Verräternest auszuräumen. Vilana gab Rolf begeistert einen Kuss auf die Backe, wozu sie ihn freilich erst ein Stück zu sich herabziehen musste. Rolfs Herz wollte vor Glück zerspringen. Se hat mich geküsst! SIE!!! Vilana!
Dann bemerkte er ihren Gesichtsausdruck. Siegesfreude lag darin. Dankbarkeit. Freundschaft. Aber … keine Liebe. Nicht ein Fünkchen davon! Rolf brauchte eine Weile, bis er begriff, dass er gar nicht wirklich von der Klippe fiel. Fühlt sich nur an, als würd´ ich stürzen.
*
Verena sah sich in einer schwierigen Situation. Gefechten war sie auf ihrem Weg aus der Innenstadt nicht begegnet. Dafür wimmelte es überall von orientierungslosen Menschen. Viele Einwohner hatten sich bewaffnet und waren allen Fremden gegenüber ausgesprochen misstrauisch. Nun versperrte man ihr am mittleren Stadttor den Weg in die Außenbezirke. „Diese Schleimscheißer von Wächtern sind nicht einmal bereit, mir zuzuhören!“, schimpfte sie lauthals.
Mit diesem Problem war sie freilich nicht allein. Eine andere junge Frau aus der Menschenmenge versuchte, die Wachen ebenfalls erfolglos zu bewegen, sie durchzulassen. „Hört mal, ihr Gurkennasen! Ich will sofort wieder hier raus! In den Außenbezirken hat keiner gekämpft, da komme ich gerade her. Wenn dieser Alarm kein dummer Scherz war, muss der Angriff von der Seeseite kommen! Das heißt: Ich bin HIER in Gefahr!“
„Entschuldigt!“, sprach Verena die Frau, die etwas mehr zu wissen schien, in gehobener Lautstärke an, um das Lärmen am
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