Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Gruppe. Wegen der Sprachbarriere wurde sie meistens nicht weiter beachtet. Das war einfacher. Etwas Riesiges und nichtsdestoweniger Lautloses biss sie in die Schulter. Die Wucht ließ sie in die Tiefe stürzen. Noch im Fall wickele sich das angreifende Tier wie ein stählernes Band um ihren Brustkorb. Würgeschlange, konnte sie gerade noch denken.
Atmen oder schreien konnte sie nicht mehr. Der gewaltige Druck brachte ihr Herz zum Stillstand. Dass jeder noch so kleine Knochen in ihrem Leib einzeln gebrochen wurde bekam sie schon nicht mehr mit. Im Lager bemerkte niemand, was geschehen war.
*
Ihre Lebensgeister brauchten mehrere Stunden Sonnenschein, bevor die restliche kleine Gruppe auch nur einen weiteren Schritt auf dem Ast machen konnte.
„Elina fehlt, irgendwas muss sie weggeholt haben, Mira ist immer noch K.O., aber ich glaube wir können Verena losbinden“, stellte Alexander lakonisch fest. „Ich denke, sie schuldet uns eine Erklärung für ihr Verhalten.“
Verena brachte nur ein Wimmern zustande. ´ Elina fehlt´! So weit sind wir schon. Eine von uns ist verschwunden und wahrscheinlich von wilden Tieren zerrissen und uns fällt dazu nur eine knappe Bestandsaufnahme ein. Ein schönes Team sind wir, dachte sie.
Auf die Dauer kam sie nicht umhin, eine Antwort auf Alexanders Anfrage zu geben. Also begann sie, sich selbst mit tausend Entschuldigungen unterbrechend, einen stockenden und sprunghaften Bericht von ihrem Abstieg. Zwischendurch musste sie sich noch zweimal übergeben, doch ihr Magen war ja ohnehin leer.
Wir wollen nicht wiederholen, was wir von Verenas Geschichte ohnehin schon kennen, sondern den roten Faden ihrer Erzählung dort wieder aufgreifen, wo wir Neues über die Geschehnisse am seltsamen Waldesgrund erfahren.
„Irgendwann bin ich da unten wieder aufgewacht. Oder auch nicht. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich geschlafen habe oder nur neben mir stand. Da war es echt hell wegen der leuchtenden Steine am Boden! Die haben da nämlich alle geleuchtet, der ganze Felsboden, nicht nur einzelne Brocken!“
Alexander bestätigte ihr, dass sie das am vergangenen Abend noch an Verenas Mitbringseln bemerkt hatten und zeigte ihr, dass die Steine jetzt, wo die Sonne am Himmel stand, ebenfalls wieder mit kaltem Licht strahlten. So ließ sich Verena überzeugen, dass sie nicht nur die Wahrheit erzählte, sondern dass die Anderen ihr auch noch glaubten. Sie war bereit fortzufahren. „Ich konnte mein Bein nicht bewegen und kriege es jetzt auch nichtmehr krumm. Und meine Hand ist zu geschwollen, um sie ganz zu schließen. Aber nachdem diese Krebschen lange genug auf mir rumgekrabbelt sind, habe ich den Gedanken, da unten allein zu sterben, nicht mehr ausgehalten. Ich hab´ den Beutel mit Steinen vollgemacht, mir richtig feste umgebunden und bin herumgekrochen, bis ich eine Stelle gefunden habe, an der ich mich in die Wurzeln über mir wühlen konnte. Versteht ihr? Da unten haben die Felsen geleuchtet, und in dem Licht ist noch ein Dschungel unter dem anderen gewachsen! Die Pflanzen hatten Wurzeln nach oben und nach unten! Ehrlich! Deswegen waren über mir die Wurzeln von den Bäumen, auf denen wir jetzt hocken!“
Wenigstens für mich selbst klingt mein Bericht wieder verständlicher. Die Anderen müssen denken, dass ich spinne. Ich bin aber sicher, dass ich erst später ausgerastet bin.
„Ich hab mich nach oben gewühlt. Ich kann euch sagen, dass das verdammt wehgetan hat, vor allem mein Bein, da hat dauernd irgendwas draufgedrückt. Ich glaub´ ich bin auch am Anfang mehrfach wegen der Schmerzen abgekippt aber ich habe ja zwischen lauter Dreck und Wurzeln gehangen, deshalb bin ich nicht abgestürzt.“ Verena rieb sich die Handgelenke an der Stirn, um das kribbelnde Gefühl von der Fesselung loszuwerden. Dann fuhr sie fort: „Die leuchtenden Steine haben mich die meisten Sachen sehen lassen, die mich beißen oder stechen wollten und außer ein paar Ameisen hab ich nix mehr an mich rankommen lassen.“
Dieser Einschätzung konnten Alexander, Bernd und Lisa nicht richtig zustimmen. Es war ihnen nicht entgangen, dass Verenas Körper gestern voller Blutegel gehangen hatte und selbst jetzt noch hielt sich mindestens das eine unersättliche Exemplar mitten auf ihrer Stirn. Sie hielten es nicht für angebracht, Verena jetzt darauf hinzuweisen.
„Ich dachte, ich müsste in dem Zeug ersticken, so viel Dreck hing zwischen den Wurzeln, viel mehr als auf dem Weg, den ich nach unten
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