Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
hereinkommen, und ich mache Euch eine Tasse Grauwurz. Aber ich muss Euch gleich vorwarnen. Mein Vater wurde kürzlich ermordet und daher nehme ich zurzeit nur in Ausnahmefällen Aufträge entgegen.“ Vilana zog schniefend die Nase hoch. „Da ich viel geerbt habe, plane ich auch nicht, später wieder etwas zu akzeptieren, das mich fachlich nicht interessiert!“
„Wir komm´ gern rein!“, antwortete Rolf rasch. Lena hatte eigentlich nur einen Gedanken gehabt: nämlich die gute Gelegenheit zu nutzen, um sich höflich von der mutmaßlich viel zu jungen und unerfahrenen Frau zu verabschieden. Auch Alf hatte sich schon wieder halb abgewandt. Doch daraus wurde somit vorerst nichts. Daher erklärte Alf doch noch, dass sie auf Empfehlung von einem gewissen ´Sanadalith´ kämen, der meinte, die Angelegenheit könne Vilana durchaus interessieren.
Da wurde die Frau unmittelbar viel aufgeschlossener und begann sogar wieder zu lächeln. Auf Rolf hatte das den Effekt, dass ihm die Knie weich wurden. Lena, die begriffen hatte was mit ihm los war, musste ihn zu einer der wenigen Sitzgelegenheiten führen, die das winzige Anwesen bot.
„Ich muss mich entschuldigen, sollte ich Euch nicht in aller Höflichkeit begrüßt haben“, meinte Vilana. „Ich habe eben Erinnerungsstücke von meinem Vater durchgesehen und das ist mir doch sehr aufs Gemüt geschlagen. Welcher Projekte wegen hat Constantin – Canadalith Euch denn geschickt?“
Lenas Skepsis in Bezug auf die Fähigkeiten der jungen Frau löste sich bald in Wohlgefallen auf. Kaum dass sie vorgetragen hatte, worum es denn ginge, war Vilana offenkundig Feuer und Flamme. Sie erläuterte zunächst die technischen Bauten, die hier in ihrer eigenen Stadt errichtet worden waren. Anschließend ging sie noch auf weitere Einrichtungen dieser Art aus aller Welt ein. Sie stellte eifrig und offenbar hochkompetent Fragen und erläuterte verständlich und ausführlich, wo die Möglichkeiten und Probleme in V´Llionias liegen könnten. Sie kramte Planskizzen aus ihrer eigenen und fremder Hand hervor und erläuterte auch immer wieder, wie sie diese oder jene Schwierigkeit in ihren eigenen Projekten, die sie hauptsächlich für den Werftbetrieb bearbeitet hatte, zu lösen gewusst hatte. Als besondere Empfehlung erschien Lena die Tatsache, dass sie sogar eine kleine Verbesserung an der Konstruktion der seit Jahrhunderten erprobten und überarbeiteten Bahnlinien der Stadt vorgeschlagen hatte, die bereits teilweise eingearbeitet war und den Verschleiß stark reduzieren sollte.
„Es ist leider so, dass H´Cuudim derzeit keine größeren neuen Projekte plant. Auf eine Gelegenheit wie diese hatte ich nicht zu hoffen gewagt. Stellt mir genügend Mittel zur Verfügung, und ich werde Eurer Stadt die ausgereifteste Infrastruktur verpassen, die die Welt je gesehen hat“, erklärte sie schließlich souverän, nachdem ihre Kompetenz nicht mehr infrage stand. „Wann werden wir aufbrechen?“
Ganz so kurz entschlossen waren Lena und ihre Freunde freilich nicht. Sie erklärten wahrheitsgemäß, sie hätten erst noch umfangreiche Geschäfte in der Stadt zu erledigen und das könne aufgrund der bürokratischen Hürden etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.
„Unsinn. Ihr braucht da nur Hilfe! Meine Familie ist einflussreich und kennt sich in diesen Dingen hervorragend aus! Ich bin nur das schwarze Schaf, das ´von dem ganzen Technikkram besessen ist´. Meine Onkel, Tanten, Schwägerinnen und Schwager sind es, die Ihr hier braucht. Was meint Ihr? Ich lade Euch für morgen Früh in den Familienstammsitz in der Neustadt ein. Da könnt Ihr unterwegs auch mal sehen, wie man eine Aufzugsanlage richtig konstruiert. Der Familiensitz liegt nämlich auf einer hohen Klippe. Dann trommele ich rasch alle zusammen, die Ihr brauchen könnt. Ob Ihr jemanden von ihnen engagieren wollt, könnt ihr immer noch entscheiden.“
„Ja, wir rennen gerne. Nein: kommen. Wir kommen gerne!“, antwortete Rolf sofort.
Auch Lena hatte inzwischen nichtsmehr dagegen. Kontakte zu einer einflussreichen Gruppierung konnten sich allgemein sehr auszahlen. Wenn Vilana ein gutes Beispiel für die Mitglieder dieser Großfamilie war, würde sie mit diesen Menschen prächtig zurechtkommen.
Einen besseren Geschäftseinstieg in H´Cuudim hätte sich niemand für die Catjary wünschen können. Nicht nur, dass Vilanas Familie tatsächlich so verzweigt war, wie sie behauptet hatte. Ihre Verwandten waren auch so tief in Politik,
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