Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)
ursprünglichste aller Bedürfnisse durch alle Realitäten hindurch.«
»Eigentlich gilt die Fortpflanzung als die ursprünglichste Macht des Universums«, sagte Smorgaz.
Vorm gluckste. »Mach dich nicht lächerlich. Fortpflanzung ist nur ein Werkzeug, um sicherzustellen, dass du mehr Münder produzierst, damit du mehr isst als der andere.«
»Nein«, sagte Smorgaz. »Essen ist lediglich ein Werkzeug, um sicherzustellen, dass du dich effizienter fortpflanzt als der andere.«
»Die meisten Dinge sterben, wenn sie nicht essen. Sie sterben nicht, wenn sie sich nicht fortpflanzen.«
»Nein, auch wenn sie essen, sterben die meisten Dinge. Irgendwann. Fortpflanzung ist die einzige verlässliche Methode, die Fortdauer der Existenz zu sichern. Um genau zu sein, ist sich nicht fortzupflanzen der einzige Weg zu sterben.«
»Was ist mit Adoption?«, fragte Vorm. »Oder kultureller Eigenleistung?«
Smorgaz gluckste. »Das sind alles nur Derivate der Fortpflanzung.«
»Oh, verstehe! Alles Wichtige hat automatisch mit Fortpflanzung zu tun.«
»Ist jedenfalls sinnvoller als mit Essen.«
Dianas Gedanken schweiften ab, während die Monster ihre Debatte weiterführten. Als sie den Wagen parkte, waren sie immer noch dabei.
»Gehen wir noch mal die Grundregeln durch, Jungs«, sagte sie.
»Noch mal?«, fragte Vorm. »Wie oft müssen wir das denn noch durchkauen?«
»Bis ich überzeugt bin, dass es kein furchtbarer Fehler ist, der schrecklich schiefgehen kann. Also los jetzt!«
»Im Zweifel: nicht essen«, sagte Vorm mit mechanischer Gleichgültigkeit.
»Wenn du dich unbedingt fortpflanzen musst«, sagte Smorgaz, »entschuldige dich und geh auf die Toilette.«
Diana nickte. »Gut. Und …«
»Versucht, möglichst wenig zu reden, aber seid höflich«, intonierten Vorm und Smorgaz unisono. »Wenn jemand fragt, sind wir alte Freunde aus dem College, die gerade in der Stadt sind, und wir müssen zurück nach Stockholm, um eine Forschungsarbeit über Bodenproben fertig zu machen.«
»Nein, nicht nach Stockholm«, sagte sie.
Vorm seufzte. »Aber du hast gesagt …«
»Ich weiß, was ich gesagt habe, aber Stockholm ist zu exotisch. Es lädt förmlich zu Fragen ein. Wir brauchen etwas weniger Interessantes. Sacramento. Oder vielleicht Denver.«
»Ich war mal in Denver«, sagte Smorgaz. »Das ist eine überraschend interessante Stadt.«
»Okay. Dann nehmen wir Kansas. Kansas ist langweilig.«
»Ehrlich?«, fragte Smorgaz. »Dann nehme ich an, du warst schon mal da?«
»Nein, war ich nicht, aber es ist unwichtig, ob Kansas wirklich langweilig ist. Wichtig ist allein, dass es einem langweilig vorkommt.«
»Du willst also für eine raffinierte Farce einen ganzen Bundesstaat beleidigen?«
»Ja, das will ich. Ich bin mir sicher, der Staat Kansas wird es mir dieses eine Mal verzeihen.«
»Darf ich sagen, dass wir mal zusammen waren?«, fragte Smorgaz.
»Nein.«
»Darf ich sagen, dass ich früher mal als Gott verehrt wurde?«, fragte Vorm.
»Was?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein!«
»Nicht einmal, wenn jemand fragt? Wenn das Thema zum Beispiel zufällig im Gespräch aufkommt?«
»Wann kommt so etwas als Gesprächsthema auf?«
»Man weiß nie. Ein lebhaftes Gespräch kann unvorhersehbar sein.«
»Du bist ein Typ, der Dreck untersucht«, sagte sie. »Das war’s.«
»Darf ich schwul sein?«, fragte Smorgaz.
Sie barg das Gesicht in den Händen und knirschte mit den Zähnen.
»Okay. Du darfst schwul sein.«
»Das ist nicht fair! Warum darf er schwul sein?«, fragte Vorm.
»Du darfst auch schwul sein«, antwortete sie.
»Warte«, sagte Smorgaz. »Wir können nicht beide schwul sein. Dann ist es nichts Besonderes mehr.«
Sie sagte: »Vielleicht sollten wir das Ganze einfach vergessen.«
»Nein. Ist schon okay. Wir können beide schwul sein. Aber weil ich die Idee hatte, bin ich der extravagante Schwule, während du einfach nur normal schwul bist.«
»Damit kann ich leben«, sagte Vorm.
»Sei einfach nicht zu klischeehaft«, fügte Diana hinzu.
Smorgaz schnippte mit den Fingern. »Auf keinen Fall, Schätzchen!«
Sie stiegen aus dem Auto und gingen auf die Bar zu. Diana hatte jetzt schon ein schlechtes Gefühl. Sie dachte daran, wieder umzukehren und das Ganze zu vergessen. Aber sie war schon so weit gekommen.
Ihre geistige Gesundheit stand auf dem Spiel. Wenn sie dem Tod und dem Wahnsinn entgehen wollte, musste sie einen Weg finden, auf dem Boden zu bleiben. Das hier war zwar vielleicht nicht die Lösung, aber
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