Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)
Wasser. Kein guter Tag für lange Ärmel, aber alles in allem hätte es schlimmer kommen können , dachte sie.
Kurz bevor sie sich übergab.
ZEHN
Das Problem daran, ihre ganze Magie aufzubrauchen, bestand darin, dass Diana keine mehr übrig hatte, um den auffälligen Fleck Erbrochenes auf ihrer Bluse ungeschehen zu machen.
Das Nette war, dass sie, auch wenn sie keinen Weltfrieden geschaffen hatte, dem Einkaufszentrum doch eine warme Menschlichkeit geschenkt hatte. Ausnahmslos alle lächelten, waren übertrieben höflich und voll guten Willens.
Ginger aus der Damenabteilung half Diana, eine neue Bluse auszusuchen.
»Vielleicht solltest du nach Hause gehen. Du siehst nicht besonders gut aus.«
»Alles in Ordnung«, log Diana. Seit sie sich übergeben hatte, fühlte sie sich besser, aber ihre Knie waren noch immer weich. Ihre Hände zitterten. Zusammen mit all ihren übernatürlichen Kräften hatte sie noch etwas anderes verbraucht. Es war, als wäre ihr ein Stück ihrer Lebenskraft entrissen worden. Sie redete sich ein, sie übertreibe, aber sie konnte nur Vermutungen anstellen. Immerhin war sie jetzt unsterblich. Oder zumindest konnte sie nur auf ganz bestimmte Arten sterben.
»Mir ist bloß ein bisschen flau.« Dabei betrachtete sie eine neue Bluse im Dreierspiegel. Die Farbe gefiel ihr nicht, und sie passte auch nicht zu ihrer Hose. Aber es war die billigste im Laden.
»Hier, nimm die.« Ginger gab ihr eine, die viel besser passte.
Diana sah auf das Preisschild. »Lieber nicht. Auch mit dem Mitarbeiterrabatt ist das immer noch ein bisschen viel.«
»Dann zahl eben nicht. Nimm sie einfach mit. Offensichtlich hast du einen schweren Tag, und du gibst in der Mantelabteilung täglich dein Äußerstes. Betrachte es nicht als Geschenk. Nimm es als Anerkennung für die tolle Arbeit, die du hier leistest.«
Strahlend umarmte Ginger Diana, ohne den feuchten Fleck auf ihrer Bluse zu beachten.
»Du bist super, Diana«, sagte Ginger, »und ich will nur das Beste für dich.«
Diana nickte sehr langsam. »Oooookaaaaay. Ich weiß das Angebot zu schätzen. Wirklich. Aber ich kann nicht annehmen, dass du sie bezahlst.«
»Oh, ich werde sie auch nicht bezahlen. Warum dafür zahlen? Ist doch nur eine Bluse. Nicht halb so wichtig wie du. Wenn du mich fragst, messen wir diesen Dingen viel zu viel Bedeutung bei, während in Wirklichkeit doch wir alle zählen, zusammen, und dass wir das Beste aus jedem Augenblick machen …«
»Ich kann sie nicht klauen!«, flüsterte sie, um Ginger nicht in Verlegenheit zu bringen.
»Sie klauen?« Ginger lachte. »Es ist kein Diebstahl. Nicht, wenn du sie wirklich brauchst.«
Sie rief einer Vorgesetzten zu: »Hey, Shaun! Ist es okay, wenn ich Diana diese Bluse mitgebe?«
»Absolut!« Shaun hob die Daumen. »Du machst einen super Job, Diana!«
»Danke«, sagte Diana.
»Wie war das?«, rief Shaun.
»Sie sagt danke!«, schrie Ginger zurück.
»Cool. Danke, dass du es weitergesagt hast, Ginger! Super Arbeit!«
»Danke, Shaun! Du auch!«
Diana wollte die neue Bluse nicht nehmen, aber ihr wurde schnell klar, dass Argumentieren nichts nützte. Alle in ihrer unmittelbaren Umgebung befanden sich in einem Zustand absoluten guten Willens. Wenn sie ihnen ins Gesicht trat, hätten sie sie wahrscheinlich zu ihrer Kick-Box-Begabung beglückwünscht, noch während sie ihre Zähne ausspuckten.
Es war nicht echt, nur eine Illusion, die sie dem Universum aufgezwungen hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie lange es anhalten würde oder wie weit es sich über das Kaufhaus verbreitet hatte. Aber sie würde nicht versuchen, es ungeschehen zu machen, gleichgültig, wie unnatürlich diese ganze Freude im Grunde war. Sie hatte auf die harte Tour gelernt, dass die Magie nicht zu kontrollieren war. Zumindest nicht für sie. Falls sie versuchte, alle wieder dazu zu bringen, sich normal zu verhalten, endete es wahrscheinlich in einem Kettensägenmassaker, das sie dann auch wieder ungeschehen machen musste.
Nicht dass sie die Macht besessen hätte, etwas zu verändern. Smorgaz’ Plan war aufgegangen. Sie war leer, unfähig, die Realität auf irgendeine übernatürliche Art zu ändern. Auch wenn es ihr nichts ausgemacht hätte, sich im Augenblick etwas weniger sterblich zu fühlen.
»Ein paar von uns gehen heute nach der Arbeit noch was trinken«, sagte Ginger. »Komm doch mit!«
»Danke, aber ich habe schon was vor.«
»Tja, da kann man wohl nichts machen. Ist aber schade. Ist ewig her, seit wir einfach mal
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