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Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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das kleinste Sandkorn und nicht einmal das Universum selbst – irgendeine Kontrolle über das eigene Schicksal.
    Die Erkenntnis, und zwar eine, die Calvin schon unzählige Male zuvor gewonnen hatte, ärgerte ihn immer wieder.
    Diesmal wurde sein Gedankengang von Francis’ ungestümem, immer fieberhafter werdendem Gelächter unterbrochen. Es bewegte sich an der Grenze zum Wahnsinn, während er wie ein Besessener im Raum herumrannte. Greg war zu tief in seiner Routine versunken, um es zu bemerken, und es war keineswegs unüblich, dass der plötzliche Zustrom von Macht den Empfänger mit Freude erfüllte. Aber das hier war anders. Francis verlor die Kontrolle.
    Er warf einen Tisch um, sodass alles darauf durch die Gegend flog. Er packte eine Frau, zog sie grob an sich und drückte ihr einen Kuss auf, der einem lüsternen Piraten aus einem Liebesroman alle Ehre gemacht hätte.
    »Ich muss doch sehr bitten!«, sagte der Ehemann der Frau und stand auf, um die Ehre seiner Frau zu verteidigen.
    Francis boxte ihn ins Gesicht und brach ihm den Kiefer. Er warf die Frau wie eine vergessene Beute beiseite und sah sich im Raum um – wie ein Tier im Käfig, das auf die Welt losgelassen wird. In seiner primitiven Wahrnehmung reduzierte sich alles auf Kampf oder Flucht, und die Raserei in seinem verzerrten Gesicht sagte allen, welche Möglichkeit er gewählt hatte.
    Er platzte aus seiner Haut, verwandelte sich in eine riesige vierarmige Bestie mit einer Karikatur von einem Kopf, der nichts weiter war als ein gewaltiges Paar Kiefer mit reißenden Zähnen.
    Wie ein wirbelnder Taifun der Zerstörung rannte Francis durch den Saal, schlug und krallte nach allem und jedem in Reichweite. Es gab Schreie. Schreie und Blut. Und eine brutale, erbarmungslose Wildheit, die zum Glück von kurzer Dauer war, denn mehrere der älteren Kultmitglieder nahmen ihre eigenen wilden Gestalten an und stürzten sich auf den wahnsinnigen Francis.
    Calvin sah nur zu, versteinert von dem Anblick. Die Ur-Ordnung, die Greg gepredigt hatte, war angebrochen, und die Menschen fanden sich unfreiwillig in der Rolle der Opfer wieder. Mindestens sechs oder sieben von ihnen waren tot oder zumindest fast – angegriffen in den wenigen Augenblicken, in denen Francis Amok gelaufen war. Andere duckten sich in purem Entsetzen oder rannten schreiend aus dem Gebäude.
    Dies war die Zukunft der Menschheit.
    Die Kultmitglieder schleppten Francis vor Calvin. Obwohl sie genauso stark waren wie Francis, wirkte er primitiver, eine wütendere Seele, und sie hatten die größte Mühe, ihn im Zaum zu halten. Er schlug um sich und schnappte, knurrte und fauchte. Es war faszinierend. Calvin fragte, ob das alles auf das zurückzuführen war, was er in die Menschen hineingelegt hatte, oder ob der Mensch es die ganze Zeit über in sich gehabt und Calvin ihm nur die Erlaubnis gegeben hatte, sich zu erheben. War die Zivilisation die Schöpfung der Menschheit? Oder die Lüge der Menschheit? Er hatte keine Ahnung.
    »Jetzt steh nicht nur so herum!«, sagte Greg. »Tu etwas!«
    Calvin trat vor den knurrenden Francis hin. Er war unverwundbar und unsterblich, aber unwillkürlich abgeschreckt von Francis’ wildem Wahnsinn. Er legte die Hand an Francis’ Schnauze und spürte den Übergang der Macht. Nur dass sie diesmal in die falsche Richtung wanderte. Francis verdoppelte seine Größe und schüttelte die Tiere ab, die ihn festhielten. Er packte eine Kultanhängerin und biss sie in der Mitte durch.
    Die anderen Tiere sprangen zurück. Alle außer Calvin. Die riesige Kreatur, die einmal Francis gewesen war, beugte sich vor und schnaubte. Sie kreischte Calvin an, der ihren fauligen Atem über sich hinwegspülen ließ. Blut und Fellstücke spritzten ihm ins Gesicht.
    Calvin hatte nichts zu befürchten, und ohne Furcht, von der sie sich nähren konnte, war die Kreatur verwirrt. Sie schnüffelte neugierig an ihm. Er legte ihr eine Hand auf die Nase und lächelte.
    »Sitz!«
    Das Monster tat, wie ihm befohlen wurde.
    »Braver Junge.«
    Er tätschelte ihm noch einmal beruhigend die Schnauze. Für den Augenblick war die Kreatur gezähmt, aber es gab nur einen Weg, sie aus Francis herauszubekommen. Sie musste erschreckt und an ihren Platz in der kosmischen Ordnung erinnert werden.
    »Tut mir leid.«
    Calvin versetzte Francis einen Aufwärtshaken. Mehrere riesige Zähne lockerten sich, dann fiel die Kreatur mit einem erstickten Winseln um. Sie schrumpfte auf ihre menschliche Gestalt zusammen.
    »Was

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