Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)
zum Henker war das?«, fragte Greg.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Calvin. »Etwas ist schiefgelaufen.«
Gregs Stimme blieb wie immer ruhig und gefasst, wenn auch eine leichte Schärfe in seiner Artikulation tanzte. »Super. Etwas ist schiefgelaufen. Das ist deine Erklärung, oder? Etwas ist schiefgelaufen. Weißt du, wie schwierig es wird, das wieder in Ordnung zu bringen? Und es macht sich nicht von selbst!«
Calvins zerstörerischer Einfluss auf die Realität war selten ein bleibender. Manchmal rutschten ein paar Kleinigkeiten durch, aber meistens wurde seine zersetzende Macht als fremdes Element schnell durch die grundsätzliche Ablehnung seiner unnatürlichen Gegenwart durch das Universum gekontert. Ab und zu ließ sich das Universum allerdings täuschen und akzeptierte den Schaden. Normalerweise geschah dies durch einen Nebenakteur, der unter dem Radar durchschlüpfte. Francis war wohl so ein Nebenakteur gewesen.
Und jetzt waren Menschen tot.
Calvin wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er wandelte schon sehr, sehr lange auf diesem Planeten, aber nur selten war er für jemandes Tod verantwortlich gewesen. Und in den meisten dieser Fälle waren Tod und Zerstörung nicht bleibend gewesen, sondern lediglich Schatten, die aus der Existenz gelöscht worden waren.
Diese Menschen aber blieben tot, und in einer sehr nahen Zukunft würden sie die Glücklichen sein.
SECHZEHN
»Ich wüsste nicht, was für eine Zukunft du mit diesem Kerl haben solltest«, sagte Vorm.
Diana unterbrach sich im Auftragen ihres Eyeliners. Sie konnte nicht reden und gleichzeitig Make-up auflegen. Sie trug nicht oft genug Make-up, um es zu diesem Grad der Könnerschaft gebracht zu haben.
»Wer hat denn etwas von einer gemeinsamen Zukunft gesagt? Ich habe Glück, wenn mich bis zum Ende des Monats nicht einer von euch gefressen hat!«
»Das nehme ich dir übel.«
»Ich habe nicht speziell von dir gesprochen. Ich hätte auch Zap gemeint haben können.«
»Aber du hast nicht Zap gemeint«, sagte Vorm. »Du hast von mir gesprochen.«
»Da hast du recht, das habe ich. Und ich entschuldige mich sofort, wenn du mir in die Augen schaust und mir sagst, dass du nicht schon mal oder jetzt im Moment daran gedacht hast, mich zu fressen.«
»Ich habe keine Augen«, sagte er.
»Ist das nicht praktisch?«
»Okay. Du hast mich erwischt. Ich habe tatsächlich daran gedacht, dich zu fressen. Ich habe daran gedacht, als ich dich kennengelernt habe, und ich denke seither jeden Tag daran. Aber ich denke die ganze Zeit ans Essen. Vor einer Stunde hätte ich fast Zap gefressen, als er mir den Rücken zugewandt hat.«
Zap meldete sich aus dem Nebenzimmer zu Wort: »Nicht cool, Mann!«
»Ja, ja.« Vorm zuckte die Achseln. »Die Sache ist die – nur weil ich daran denke, dich zu fressen, heißt das noch nicht, dass ich es auch tun werde.«
»Vielleicht nicht«, antwortete sie. »Aber wenn du mich nicht verschlingst, dann wird mich Smorgaz wahrscheinlich unter einer Lawine von Klonen begraben. Oder Zap löst mich auf. Ich will nicht sagen, dass es mit Absicht wäre, aber ich gehe davon aus, dass es irgendwann passieren wird, denn wie du gerade erwähnt hast, habt ihr – ihr alle – von Natur aus destruktive Veranlagungen, gegen die ihr täglich ankämpfen müsst. Da braucht es nur eine kleine Unaufmerksamkeit, und schon ist es vorbei.«
Vorm sagte: »Jetzt übertreibst du aber.«
»Nein, tu ich nicht. Und selbst wenn mich nicht einer meiner Mitbewohner umbringt, dann wird es ein verwirrtes Monster aus einer anderen Realität tun. Und falls das durch irgendein Wunder nicht passiert, ist praktisch garantiert, dass ich entweder vollkommen überschnappe oder für zu gefährlich gehalten und in Apartment null ins Exil abgeschoben werde. Und da ist es mir sowieso eindeutig lieber, gefressen, ausgelöscht oder erdrückt zu werden.«
Vorm kam einen Schritt auf sie zu. Sie drohte seinem Spiegelbild mit ihrer Wimperntuschebürste.
»Komm jetzt nicht auf komische Gedanken!«
Vorm lächelte unschuldig.
Diana fuhr fort: »Wir wollen auch nicht vergessen, dass Chuck – der mir tatsächlich ein netter, witziger und gut aussehender Kerl zu sein scheint – ebenfalls so eine bösartige kleine Kreatur hat, die ihn tagelang in seiner Wohnung einsperrt. Und dass er wahrscheinlich entweder einen gewaltsamen Tod durch dieses Monster erleiden, verrückt werden oder in Apartment null enden wird.«
»Dann möchtest du dich also nur amüsieren?«, fragte
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