Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)
Vorm.
»Keine Ahnung, was ich möchte. Ich nehme einfach einen Tag nach dem anderen, wie er kommt. Könntest du mich das also bitte genießen lassen?«
Vorm sagte: »Na gut.«
Sie machte ihr Make-up fertig und sah sich noch ein letztes Mal prüfend im Spiegel an. Es war schon eine Weile her, seit sie zum letzten Mal ihr blaues Kleid angezogen hatte. Es sah gut aus, aber ein kleines bisschen feierlich. Wenn sie ausgegangen wären, auch nur ins Kino oder in ein Restaurant, wäre es eine gute Wahl gewesen, aber sie fragte sich, ob es für ein Abendessen in seiner Wohnung nicht doch zu viel sein könnte. Vielleicht wären Jeans eine bessere Wahl gewesen.
Sie hatte ihren Schrank schon halb durchwühlt, als sie schließlich beschloss, dass sie zu viel nachdachte. Jeans und ein hübsches Top wären vielleicht angemessener gewesen, aber dies hier war ein Date. Sie hatte schon lange kein Date mehr gehabt, und wenn sie ihr blaues Kleid tragen wollte, dann würde sie es tragen.
Sie gab ihren monströsen Mitbewohnern Instruktionen, nicht auf sie zu warten, und ging den Flur entlang zu Chucks Apartment. Der Hund saß vor der Tür. Er machte ein befremdliches Gurgelgeräusch, und sein langer, spitzenbewehrter Schwanz schnalzte gefährlich im Kreis, als sie sich näherte. Dann machte das Wesen Platz.
»Danke«, sagte sie. Für einen grausigen Dämon aus dem Jenseits war es beinahe niedlich.
Sie klopfte an die Tür, und Chuck öffnete ihr.
Er trug ein T-Shirt und eine Stoffhose. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie sich entschuldigen und umziehen gehen sollte, aber so, wie sein Blick auf ihr ruhte, gefiel ihm, was er sah. Dieses Kleid stellte unglaubliche Dinge mit ihr an. Sie hatte eine gute Figur, aber das Kleid schob alles an die richtigen Stellen und verlieh ihren schmalen Hüften ein bisschen zusätzlichen Schwung. Außerdem trug sie einen Push-up- BH . Sie wusste zwar, das war geschummelt, aber sie hatte noch keinen Typen getroffen, dem das etwas ausmachte, nachdem die Illusion erst einmal aufgehakt war. Falls es überhaupt dazu kam. Sie war schon wieder viel zu vorschnell.
»Du bist zu früh.«
»Die Straßen waren frei.«
Chuck lächelte. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, und eine Locke fiel ihm in die Stirn.
Er trat beiseite und ließ sie ein.
»Hier riecht aber irgendetwas ziemlich gut«, sagte sie.
»Lasagne«, antwortete er.
»Super. Ich liebe Italienisch.«
»Das ist gut, denn das ist das Einzige, was ich kochen kann, wenn ich ehrlich bin.«
Während er nach dem Essen sah, setzte sie sich aufs Sofa und musterte den Stil-Mischmasch in seiner Wohnung. Der schwebende Couchtisch interessierte sie am meisten. Sie testete seine Stabilität, indem sie erst mit einer Hand dagegen drückte, dann mit beiden. Erst leicht, dann fester. Er rührte sich nicht. Sie testete die Unterseite, doch er blieb stabil.
»Ja, ich habe keine Ahnung, wie man ihn verrücken könnte«, sagte er. »Um genau zu sein, kann ich überhaupt nichts von den Möbeln bewegen. Sie verändern sich nur manchmal, wenn ich nicht hinsehe. Dieses Sofa ist erst ein paar Wochen alt. Vorher war es ein Schaukelstuhl.«
»Glaubst du, das hat irgendeinen Sinn?«, fragte sie.
»Sie sind beide zum Sitzen gemacht.«
»Nein, das meine ich nicht. Nicht nur, jedenfalls.« Diana machte eine ausladende Geste. »Das alles.«
»Ich weiß nicht. Vielleicht.« Er reichte ihr ein Glas Wein. »Vielleicht passt alles auf irgendeiner kosmischen Ebene zusammen, die wir bloß nie verstehen können. Möglicherweise gibt es einen Masterplan, und wir wursteln darin nur so vor uns hin. Oder es könnte alles auch Chaos, Entropie sein, und jeder Sinn, den wir darin sehen wollen, beruht auf der umständlichen Phantasie unserer kleinen, unzureichenden Wahrnehmungen. So oder so – ich habe keine Ahnung, wie wir den Unterschied erkennen sollten.«
»Du hast eine Menge darüber nachgedacht«, sagte sie.
»Du nicht?«
Sie stießen mit ihren Gläsern an.
»Wie könnte man nicht?«, fragte sie.
»Man will, dass es Sinn ergibt«, sagte er. »Das hört nie auf. Aber nach einer Weile wird einem klar, dass es egal ist. Man nimmt einfach jeden Tag, wie er kommt, und erwartet keine Ordnung mehr. Man hofft einfach auf einen Anschein von Beständigkeit.«
»Ja. Das vermisse ich am meisten. Beständigkeit. Vorhersehbarkeit. Ich weiß nicht, ob die echte Welt sinnvoller ist als das hier, aber zumindest war sie beständig. Jetzt ist alles ungewiss. Wenn ich in meine
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