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Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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rührte sich nicht, und mit einem einzigen Ruck zog er sie in Sicherheit.
    »Hätte schneller funktioniert, wenn sie unberührt gewesen wäre«, sagte das Wesen.
    »Es hat aber funktioniert«, sagte sie. »Ist das wirklich wichtig?«
    West und das Wesen rollten den Teppich wieder auseinander, deckten das Große Ding zu und zerrten den Couchtisch zurück an seinen Platz. Alles wirkte vollkommen normal, wie gewohnt. Eine andere Dimension besuchen, einem großen Loch einen Eimer Hähnchen in den Schlund werfen, die Schwerkraft reparieren, nach Hause gehen. West wechselte noch ein paar Worte unter vier Augen mit dem Wesen, während Diana im Flur wartete. West versicherte ihr zwar, sie könne jetzt ohne ihn zurückgehen, aber sie hatte noch ein paar Fragen.
    Sie begann mit »Was zum Henker war das?«, auch wenn sie wusste, dass diese Frage bestimmt zu allgemein gehalten war und West sie nicht beantworten würde. Entweder, weil er es nicht wollte, oder vielleicht auch, weil er nicht konnte.
    »Was ist in dem Loch?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht.«
    »Dieser Typ dahinten hat es das Große Ding genannt.«
    »Es gibt einige, die glauben, im Zentrum aller Realitäten lebe ein kosmisches Etwas. Es tut dort irgendetwas Wichtiges. Es gibt welche, die es als Gott verehren. Warum sie allerdings einen Gott anbeten, von dem sie sich alle einig sind, dass sie ihm scheißegal sind, hat mir noch nie eingeleuchtet. Aber das ist das Große Ding. Ich weiß zwar nicht, was sich in dem Loch da unten befindet, aber sonst weiß es auch keiner. Ich bin allerdings skeptisch, denn es gibt eine Menge Löcher in diesem Universum, und auch wenn einige vielleicht ins Herz von allem führen, stelle ich mir vor, dass die meisten es vermutlich nicht tun.«
    »Na ja, aber irgendwas muss schließlich da unten sein, oder?«
    Er zuckte wieder die Achseln. »Ich weiß nichts darüber.«
    »Etwas hat das Hähnchen gefressen.«
    »Das ist eine Annahme. Ich weiß nur, dass da ein Loch ist, und ab und zu muss man einen Eimer Hähnchenteile hineinwerfen, damit nicht alles davonschwebt. Was mit dem Hähnchen passiert, wohin es geht, ob etwas es frisst oder ob es nur mit tausend anderen Eimern voll von frittierten Hähnchenteilen am Grund des Bodens liegt, das sind Dinge, die ich nicht weiß, höchstwahrscheinlich niemals wissen werde – und die mich auch eigentlich nichts angehen.«
    »Aber warum gerade Hähnchen?«, fragte sie.
    »Du machst dich selbst verrückt, wenn du nicht aufhörst, unbeantwortbare Fragen zu stellen.«
    »Quatsch.«
    West blieb stehen. Er drehte sich mit einem ehrlich verblüfften Gesichtsausdruck sehr langsam zu ihr um.
    »Ich bin nicht wie Sie«, sagte sie. »Ich kann das alles nicht einfach so hinnehmen. Ich denke darüber nach. Ich weiß, ich kann es nicht verstehen, aber das hält mich nicht davon ab, mir Gedanken zu machen. Neugier ist keine Sünde, und unbeantwortbare Fragen zu stellen – das tun menschliche Wesen einfach von Zeit zu Zeit.«
    Sein Bart zuckte. Er nickte vor sich hin.
    »Okay. Das ist fair. Stell alle Fragen, die du stellen möchtest. Erwarte nur keine zufriedenstellenden Antworten.«
    »Ich denke, damit kann ich leben. Wenn ich muss.«
    Er strich sich den Bart glatt, und darunter wurde die Spur eines Lächelns sichtbar. »Dann wirst du prima zurechtkommen, Nummer Fünf.«
    Sie waren zurück in ihrem Apartmentgebäude, und West wollte sie eben stehen lassen. Doch sie hielt ihn auf.
    »Eine letzte Frage: Warum haben Sie mich überhaupt dazu gebraucht?«
    »Die Tradition verlangt, dass eine Jungfer das Opfer bringt. Das ist natürlich Unsinn, aber es ist einfacher, wenn ich es dich machen lasse, als mit ihm darüber zu streiten.«
    »Das ist alles? Nur wegen einer dummen Tradition?«
    »Muss es einen besseren Grund geben?«
    »Aber ich hätte sterben können«, sagte sie. »Ich wäre fast in dieses Loch gesprungen. Ich weiß nicht, warum, aber ich hätte es tatsächlich fast getan!«
    »Manche Leute tun es.«
    Wests Gesichtsausdruck zu lesen war immer schwierig, aber diesmal konnte sie ganz genau sehen, was er dachte.
    »Sie Mistkerl! Sie wussten, dass ich vielleicht springe!«
    Er senkte den Kopf und murmelte etwas vor sich hin.
    »Wie war das?«, fragte sie.
    »Ich dachte nicht, dass du springst, aber ich habe mich auch früher schon mal geirrt.«
    »Bin ich das? Nur eine von vielen austauschbaren Hilfsmitteln? Etwas, das man erst benutzt und dann wegwirft, um das Leben ein kleines bisschen bequemer zu

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