Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)
stellen, aber sie musste es wissen. Vorm regte ihren Appetit an – Zap verlieh ihr eine unersättliche Neugier, einen endlosen Hunger, alles zu beobachten und jede Einzelheit zu verstehen.
»Weißt du es?«
Sharon wurde hellhörig.
»Weißt du, was Calvin ist?«, drängte Diana. »Weißt du, was er wirklich ist?«
Sharon presste die Lippen zusammen, während sie ein Salatbett mit einer Zange umarrangierte. Das genügte Diana als Antwort.
»Er ist ein Monster, Sharon.«
»Nein, er ist ein Opfer. Er sitzt in der Falle, er hat sich verirrt. Du weißt nicht, wie es für ihn ist.«
»Ich muss gar nicht wissen, wie es ist. Ich weiß nur, dass er das gefährlichste Wesen in diesem Universum ist.«
Eine Frau hinter Diana, die auf die Fleischbällchen wartete, fing genug von ihrem Gespräch auf, um die Stirn zu runzeln.
Sharon nahm Diana am Arm und zog sie beiseite. »Du machst eine Szene.«
»Ich versuche nur, das alles zu verstehen. Warum tust du das?«
Sharon häufte Bananenpudding auf ihren Teller, nur um ihre Hände zu beschäftigten. »Ich habe es dir doch schon gesagt, Diana. Ich möchte an etwas Bedeutendem teilhaben.«
»Bedeutend ist er allerdings, da hast du verdammt recht«, sagte Diana, »aber er wird auch unsere Welt zerstören. Das musst du doch wissen!«
»Natürlich weiß ich das. Aber es ist schließlich nicht so, dass er das auch wollen würde. Er muss es einfach tun. Es ist dieses Ding am Himmel, dieser verdammte Fenris-Aspekt.«
»Aber das ist doch er, oder nicht?«
»Nein«, sagte Sharon. »Es ist ein Teil von ihm, aber Fenris denkt nicht logisch. Er funktioniert. Er existiert einfach. Calvin ist bloß ein sehr kleiner Teil davon.«
Sie trennten sich. Diana nahm sich ein Stück Pizza. Sharon legte ein paar Garnelen auf ihren Teller.
»Er ist eine Anomalie«, sagte Sharon. »Und eines Tages wird er zu Fenris zurückkehren und ... na ja, ich weiß auch nicht, was dann mit ihm passieren wird.«
»Mit ihm? Und was ist mit uns? Was ist mit all diesen Menschen?«
»Um die wird man sich schon kümmern. Greg hat einen Plan, so viele wie möglich zu retten, aber es ist kompliziert. Ich kann es jetzt nicht erklären. Versprich mir nur, dass du Calvin damit in Ruhe lässt.«
Diana warf einen Blick zu Calvin hinüber, dann auf Sharon.
»Versprich es mir, bitte! Es nützt nichts, jetzt darüber zu sprechen. Ich bin sowieso die falsche Person dafür. Du musst mit Greg reden, um zu verstehen, was wir tun. Er ist zwar ein schmieriger Arsch, aber er hat eine Gabe. Er sieht die Welt, wie sie ist – ob es dir nun gefällt oder nicht. Wenn du seine Art außer Acht lässt, wirst du das erkennen.«
Diana gefiel der Gedanke nicht.
Sharon sagte: »Ich werde mit Greg sprechen und mache etwas für morgen Abend aus. Gib mir bis dahin Zeit.«
Diana seufzte.
»Ein Tag mehr ist nicht schlimm, oder?«, fragte Sharon.
»Wohl nicht.«
»Phantastisch. Du wirst es nicht bereuen, Diana.«
»Ja, wir werden sehen.«
Sie kehrten an den Tisch zurück. Während Sharon gezwungen weiterplauderte, verschlang Diana ihr Essen. Sie war zu abgelenkt von ihren Gedanken, um die Selbstkontrolle aufzubringen, in normalem Tempo zu essen. Sie tat ihr Bestes, Calvin nicht anzustarren, und wenn sie Zap dabei erwischte, wie er starrte, trat sie gegen seinen Stuhl.
Calvin sah nicht gerade wie etwas aus, das eines Tages das Universum in Stücke reißen würde. Jetzt, da sie wusste, worum es sich bei ihm handelte, gab Diana das nur ungern zu, aber sie verstand, was Sharon damit gemeint hatte, an etwas teilzuhaben, das über den eigenen Verstand hinausging.
Etwas Schönes.
Etwas Grauenhaftes.
Die letzten Wochen hatten ihre Wahrnehmung verändert, und so fand Diana nichts Widersprüchliches an diesem Gedanken.
Sie schob diese Art von Gedanken einfach beiseite. Sie gewöhnte sich immer mehr daran, deshalb war auch etwas wie das Ende der Welt für ein oder zwei Stunden leicht zu ignorieren. Sie erwähnte es nicht, und das Gesprächsthema kam auch nicht von selbst darauf.
Sie beschloss, ihr Essen und die Gesellschaft ihrer Freunde zu genießen. Vielleicht brauste ein Sturm durch die Zeit und löschte diesen Moment für immer aus. Und wenn man sich nicht einmal darauf verlassen konnte, dass das Gestern morgen immer noch da war, ließ das doch jeden Augenblick nur umso wertvoller erscheinen.
Vorm balancierte einen Teller, den er mit allem beladen hatte, was er darauf unterbringen konnte. Der Berg stand kurz vor dem Kollaps. Er
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