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Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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früh kommt. Ich dachte, wir hätten mehr Zeit.«
    Sie musste zugeben, dass sie überhaupt nicht erwartet hatte, dass dieser Moment kam. Sie hatte gewusst, dass Calvin eines Tages gehen würde. Doch angesichts der jämmerlich kurzen Lebensspanne der Menschen hatte sie immer angenommen, der Tag käme erst lange nach ihrem Tod. Greg hatte immer gesagt, es werde bald sein, aber das hatte sie nur der Notwendigkeit zugeschrieben, einen Kult zu leiten. Man konnte den Leuten doch nicht sagen, das Ende der Zeit stünde in tausend Jahren bevor. Das wollten sie nicht hören. Die Leute wollten für die große Show Plätze in der ersten Reihe.
    Sie entschuldigte sich noch einmal. »Es ist einfach dumm von mir. Ich weiß, du musst gehen, und ich sollte froh sein, dich überhaupt gekannt zu haben. Das ist mehr, als ich verdiene.«
    »Hey, davon will ich nichts hören«, sagte er. »Es bedeutet mir auch etwas. Du bist mehr als nur die Dame, die sich um meine Wäsche kümmert.«
    »Das sagst du doch bloß so.«
    Calvin legte eine Hand an ihre Wange und drehte ihr Gesicht zu sich herum.
    »Du bist etwas Besonderes.«
    »Es gibt eine Million Menschen da draußen, die sind genau wie ich«, sagte sie.
    »Vielleicht. Aber wenn die Zeit kommt, werde ich mich an keinen von ihnen erinnern.«
    »Ich wette, das sagst du zu all deinen Wäschefrauen.«
    Sie wusste nicht, ob sie ihm glauben konnte, aber allein, dass er es gesagt hatte, gab ihr ein besseres Gefühl.«
    Als sie nach Hause kamen, schloss sich Sharon im Bad ein und rief Greg an. Er ging ans Telefon. Er ging immer ran, Tag und Nacht, immer er und nicht irgendein Untergebener. Bei all seinen Fehlern waren Greg die Angelegenheiten der Auserwählten heilig – und nichts, wovor man sich drückte. Er meldete sich mit seiner üblichen Souveränität.
    »Ja, bitte?«
    Sharon setzte sich auf die Toilette und erklärte die Diana-Lage.
    »Verstehe. Und wie hat sie es herausgefunden?«
    »Das weiß ich nicht. Es war einfach so. Sie hatte dieses Augapfel-Wesen dabei, und es hat die ganze Zeit Calvin angestarrt. Ich glaube, es kann Dinge sehen und gibt auch ihr die Macht, Dinge zu sehen.«
    »Interessant.«
    »Ich habe ihr gesagt, du würdest mit ihr reden. Morgen.«
    »Na ja, ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, aber ich werde morgen ziemlich beschäftigt sein.«
    »Ich weiß, aber ich habe es ihr versprochen.«
    »Versprechen werden in der Zukunft nicht mehr viel bedeuten.«
    »Ja, aber sie bedeuten jetzt etwas.«
    »Ich habe viel zu tun.«
    »Aber was, wenn sie dazwischenfunkt? Schließlich ist sie eine Wächterin. Sie hat eigene Wesenheiten.«
    »Jetzt wirst du albern. Fenris hat nichts zu befürchten, was auch immer sie an Einfluss gesammelt hat. Nichts kann die Zukunft aufhalten.«
    »Ich weiß, aber du könntest zumindest darüber nachdenken. Eine letzte Konvertitin, eine letzte Seele, die du retten kannst.«
    »Wenn sie ihre eigene Verbindung zum größeren Universum hat, ist sie schon gerettet.«
    Sharon fluchte. Er hatte leider recht.
    »Ich möchte gern, dass sie es besser versteht, wenn erst mal alles vorbei ist.«
    »Ihr Verständnis wird für dich aber nicht mehr wichtig sein, wenn erst einmal alles vorbei ist.«
    »Aber jetzt ist es wichtig für mich.«
    »Sharon, ich verstehe einfach nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Ich bitte dich darum, Greg. Darauf will ich hinaus. Ich trage nun schon seit Jahren zu diesem Projekt bei, und ich habe nie um einen Gefallen gebeten. Dies ist mein Gefallen. Du willst doch nicht mit einer unbeglichenen Schuld in die Zukunft gehen, oder?«
    »Schulden werden in der Zukunft …«
    »Scheiße, Greg!«
    Er schwieg kurz.
    »Okay. Wir arrangieren ein Treffen.«
    »Danke.«
    Sie legte auf und starrte den Bronzeguss einer Mondsichel mit menschlichem Gesicht und einem breiten Lächeln an, der neben dem Badezimmerspiegel hing. Zum ersten Mal sah sie in diesem Lächeln das grimmige Grinsen eines gefährlichen Universums.

SECHSUNDZWANZIG

    Diana fand West auf einer Leiter im Flur, wo er die Batterien des Rauchmelders austauschte.
    »Hallo«, sagte sie.
    Er knurrte.
    »Sie sind nicht gerade beschäftigt, oder?«, fragte sie.
    »Ich kümmere mich nur um ein paar Dinge, Nummer Fünf.«
    Er stieg herunter, während sie ihm die Leiter hielt.
    »Ich halte Sie doch nicht von etwas ab? Denn wenn das hier wichtig ist …«
    Er trug die Leiter ein paar Meter weiter und kletterte wieder hinauf. Es gab überraschend viele Rauchmelder im Flur. So viele, dass West

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