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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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den weißen Schleiern.
    In dem Reiseführer stand auch, dass der grüne Palmen­teppich durch Abholzungen und Brandrodungen zahlreiche Löcher bekommen hatte, die Regierung aber mittlerweile bestrebt war, wieder aufzuforsten.
    Vielleicht war es doch gut, dass sich der Wald unter Nebel verbarg.
    Immerhin konnte sie einen kurzen Blick auf den Flughafen werfen, bevor die Maschine zum Landeanflug ansetzte. Das Gebäude war den traditionellen Bauten der Minangkabau nachempfunden, die scheinbar aufeinandergestapelten Dächer glichen Mondsicheln, die auf den Rücken gefallen waren. Das passte irgendwie, genauso wie der Name der Airline, in die sie in Jakarta umgestiegen waren. Diese war nach Garuda, dem Nationalvogel Sumatras, benannt, einem Misch­wesen aus Vogel und Mensch, das in dem Ruf stand, die Menschen der Insel zu beschützen.
    Was würde sie hier finden? Gab es diesen »Mondscheingarten« vielleicht noch? Würde sie erfahren, was aus Rose Gallway geworden war und wie die Geige in die Hände von Helen Carter gekommen war?
    In der Flughafenhalle wartete Dr. Verheugen schon auf sie. Noch immer wusste Lilly nicht so recht, was sie von ihm halten sollte – aber ihr Gefühl sagte ihr, dass er einfach nur hilfsbereit war – und vielleicht auch etwas Gesellschaft brauchte.
    »Na, haben Sie alles beisammen?« Er deutete auf ihren Koffer.
    »Ja, und jetzt brauche ich eine ordentliche Mütze voll Schlaf.«
    »Das kann ich verstehen, aber Sie sollten vielleicht noch ein bisschen damit warten, dann gewöhnen Sie sich besser an die Zeitumstellung. Oder Sie machen ein kurzes Nickerchen und stellen sich den Wecker, damit Sie zum Abendessen wieder fit sind.«
    »Sind Sie öfter auf Sumatra?«
    Der Zahnarzt lächelte. »Ich betrachte die Insel fast schon als mein zweites Zuhause. Ich bin zweimal, manchmal auch dreimal im Jahr hier.«
    Lilly musste sich beherrschen, nicht erstaunt die Augen aufzureißen. Wenn sie daran dachte, was Ellen für sie gezahlt hatte …
    »Ich hoffe, Sie haben ein gutes Hotel.«
    »Das Batang-Hotel«, antwortete Lilly und blätterte die entsprechende Seite des Reiseführers auf. »Allerdings weiß ich darüber nur das, was im Reiseführer steht.«
    »Das Batang ist wirklich sehr gut, zwei Engländer führen es. Die Bausubstanz stammt von meinen Landsleuten, soweit ich weiß, ist es früher auch schon ein Hotel gewesen. Die Leute, die dort übernachtet haben, haben nur Gutes erzählt.«
    »Und wo wohnen Sie?«
    »Bei Bekannten, mitten in der Stadt. Es ist gut, dass Sie das Batang gewählt haben, das ist nicht weit von mir, und wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen, wo Sie das Archiv finden können, in dem die Unterlagen aus der Kolonialzeit aufbewahrt werden. Erwarten Sie aber bitte keine Wunder, es hat in der Zwischenzeit immer wieder Erdbeben gegeben, es könnte sein, dass ­einige wichtige Stücke für immer verloren gegangen sind.«
    »Das würden Sie tun? Ich meine, mir das Archiv zeigen?«
    »Ja, sehr gern, vorausgesetzt, das erscheint Ihnen nicht zu aufdringlich. Wissen Sie, das ist eine meiner persönlichen Unarten, wenn ich von etwas höre, bei dem ich helfen kann, erwacht in mir der Drang, das auch zu tun. Wenn es Ihnen nicht angebracht erscheint, dann ziehe ich mich wieder zurück, aber anderenfalls helfe ich Ihnen gern. Wenn Sie möchten, fungiere ich auch als Dolmetscher. Viele der Unterlagen werden in Niederländisch abgefasst sein, und mit den Leuten, die das Archiv führen, kann man natürlich Englisch sprechen, aber mit Malaiisch und Niederländisch kommen Sie sehr viel weiter.«
    »Aber halte ich Sie nicht zu sehr auf?«, fragte Lilly ein wenig unsicher. Außer Ellen hatte sie selten Menschen getroffen, die bereit waren, ihr bedingungslos und ohne dass sie fragen müsste, zu helfen. »Sie haben doch sicher auch etwas vor.«
    »Die Person, die ich treffen möchte, wird erst in zwei ­Tagen hier ankommen, ich habe also Zeit für Sie. Und wann trifft man schon mal jemanden, der in der kolonialen Geschichte Sumatras herumstochern will. Ich stehe Ihnen gern zur Verfügung, wenn Sie mir ein bisschen mehr über diese beiden Frauen erzählen. Wenn ich wieder in Amsterdam bin, muss ich meinen Patienten doch etwas Abenteuerliches berichten.«
    Als ob es nicht schon abenteuerlich wäre, hier zu sein, dachte Lilly im Stillen, war allerdings froh darüber, dass sie Verheugen nicht ignoriert oder abgewiesen hatte.
    »Also gut, ich freue mich. Und ich danke Ihnen für Ihre Hilfe und erzähle Ihnen gern

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