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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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eigentlich mit deiner Musiklehrerin?«, fragte sie, als sie Helen eine kleine Verschnaufpause gönnte – etwas, das Miss Hadeland nie machte.
    »Mama hat sie beurlaubt«, antwortete Helen, nicht ohne Schadenfreude. Miss Hadeland hatte wirklich sehr dumm aus der Wäsche geschaut, als Ivy sie gerügt und sie für die nächsten vier Wochen suspendiert hatte.
    »Wenn Sie bis dahin Ihre Lehrmethoden überdacht haben, werden wir Sie weiterhin unterrichten lassen. Sollte das nicht der Fall sein, werden wir nicht nur von einer Weiterbeschäftigung absehen, auch werden wir öffentlich machen, dass Sie Ihre Schüler schlagen. Ich glaube kaum, dass Sie dann noch eine andere Familie anstellen wird«, hatte Ivy Carter der Lehrerin mit auf den Weg gegeben.
    Miss Hadeland hätte behaupten können, viele andere Aufträge zu haben und das Geld von ihnen nicht zu brauchen. Doch sie sagte nichts und schlich nur kleinlaut aus dem Haus. Dieser Anblick hatte Helen vergnügt in die Hände klatschen lassen. Der verhasste Klavierunterricht war fürs Erste vor­über.
    Bevor die Frau weiter erklären konnte, wurde Helen von einer Bewegung abgelenkt. An der Fensterscheibe flatterte ein sehr großer bunter Schmetterling herum, der offenbar nicht einsehen wollte, dass die Glasscheibe ihn von der Außenwelt trennte.
    Als die Fremde das bemerkte, lächelte sie: »Sieh mal einer an, es kommt sogar schon das erste Publikum! Aber ein wenig muss sich der Schmetterling wohl noch gedulden, bis er dein Spiel so richtig genießen kann.«
    »Du meinst, Schmetterlinge können hören?«
    »Warum sollten sie das nicht können? Ich bin der Meinung, dass sogar Pflanzen hören können. Wenn sie schöne Musik hören, sollen sie angeblich besser wachsen.« Die Frau verstummte einen Moment lang, dann setzte sie hinzu: »Was meinst du, warum der Dschungel hier so gut wächst? Hier ist am Abend immer irgendwo Musik, und die Affen singen ebenfalls ihre Lieder.«
    »Stimmt das wirklich?«
    Die Frau nickte. »Später, wenn du richtig spielen kannst, kannst du es ja mal probieren. Aber jetzt sollten wir die Griffe üben. Ich sage dir, wie du die Finger halten musst, und singe dir dann den Ton vor, den die Geige dabei machen sollte. Hoffentlich klappern dir nicht die Ohren bei meinem Gesang.«
    Helen lachte auf, und die Frau zeigte ihr nun, wie sich das anhören konnte. Dabei fiel dem Mädchen auf, was für eine schöne Singstimme die Frau hatte. Damit hätte sie auch gut eine Opernsängerin sein können, da war sie sicher.
    Viel zu schnell ging die Stunde vorüber. Helen ärgerte sich ein wenig, dass sie nicht pünktlich gewesen war und ihr diese Minuten nun verloren gingen. Aber ihre Freundin tröstete sie. »Am Dienstag sehen wir uns wieder. Und versuch zu spielen, wenn du irgendwie kannst. Auch wenn sich dein Spiel noch nicht ganz so anhört wie meines, gib nicht auf, du wirst sehen, eines Tages bist du so weit!«
    Wieder im Haus, glühten Helens Wangen. Als sie das Dienst­mädchen rumoren hörte, rannte sie schnell die Treppe hinauf, damit sie die Geige nicht sah. Am liebsten hätte sie geübt, aber da hielt auch schon eine Kutsche vor dem Haus, und ihre Mutter stieg aus.
    Am nächsten Nachmittag hatte sie aber mehr Glück. Die Frau hatte recht, so wie sie das Instrument zum Klingen brachte, konnte man das noch nicht als Spielen bezeichnen, aber wenn sie ein wenig übte, würden die Melodien schöner klingen.
    Von nun an übte Helen all das, was die Frau ihr immer am Dienstag und Donnerstag zeigte. Allerdings nur dann, wenn ihre Mutter nicht im Haus war. Das Dienstmädchen, das auf sie aufpassen sollte, hatte ohnehin anderes im Sinn. Seit kurzem traf sie sich heimlich beim Pferdestall mit Jim, dem Pferde­knecht der Nachbarn. So geschah es, dass Helen täglich mindestens eine weitere Stunde allein war. Eine Stunde, in der sie sich auf den Dachboden zurückzog und spielte.
    Wie anders die Melodien doch klangen, wenn sie aus dem Instrument kamen! Beim Üben hatte sie immer nur den Gesang der fremden Frau im Ohr, doch nun hörte sie die Violine richtig – und diese war wesentlich lauter, als sie zunächst angenommen hatte. Da sie keine Notenblätter besaß, versuchte Helen, sich nicht nur an die Griffe, sondern auch an die Stimme der Frau zu erinnern. So schuf sie sich ein kleines Repertoire, das sie nur zu gern ihrer erwachsenen Freundin vorgespielt hätte, doch diese bestand darauf, weiterhin nur stumm oder mit ihrem leisen Gesang zu üben.
    Dafür erzählte ihr

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