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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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sich auf dem Sitz neben ihr niedergelassen hatte, lächelte sie breit an. Sein dunkelblondes Haar war an den Schläfen angegraut, sein Gesicht sonnengebräunt. Unüberhörbar schwang ein holländischer Akzent in seinen Worten mit.
    »Nein, ich wüsste nicht, was ich hier kaufen sollte, ich hab schon mit meinem Gepäck genug.«
    »Sie wollen auch nach Padang?«
    »Ja«, antwortete Lilly ein wenig verwirrt und schloss den Reiseführer. »Woher …«
    Der Mann deutete auf den Reiseführer. »Ich bin ziemlich gut im Raten. Ich glaube, ich habe Sie in unserer Maschine gesehen. Qatar Airlines, nicht wahr?«
    Lilly nickte völlig überrumpelt.
    Einen Moment schien der Mann zu überlegen, dann setzte er hinzu: »Ich bin Derk Verheugen, und Sie sind die erste Deutsche, die ich seit der Landung hier gesehen habe.«
    »Wirklich?«, fragte Lilly verwundert, dann fiel ihr ein, dass sie ihm eigentlich ihren Namen sagen sollte.
    »Ich schwöre es.«
    »Lilly Kaiser«, stellte sie sich nun vor.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich hoffe, ich falle Ihnen nicht zur Last. Es ist nur schön, eine Gleichgesinnte zu finden. Was führt Sie nach Padang? Oder ist das zu indiskret?«
    Lilly sah den Mann verblüfft an, und ein klein wenig fürchtete sie sich auch vor ihm, denn noch nie hatte sie jemand so offensiv angesprochen. Außerdem war er nicht ihr Typ, obwohl seine blauen Augen freundlich wirkten und er nicht mal zehn Jahre älter zu sein schien als sie.
    Vielleicht ist es ein Menschenhändler, schoss es ihr unbehaglich durch den Kopf, doch da sie hoffte, ihn zumindest im Flugzeug los zu sein – und weil ganz in der Nähe zwei Flug­hafenpolizisten standen –, antwortete sie: »Ich bin auf der ­Suche nach einer Violinistin.«
    »Sie sind Konzertveranstalterin?«
    Lilly schüttelte den Kopf. Vielleicht ist er ja doch nicht so verrückt, sagte sie sich, nahm sich aber vor, weiterhin auf der Hut zu bleiben.
    »Nein, ich forsche nach einer Violinistin, die vor etwas mehr als hundert Jahren gelebt hat. Sie ist auf Sumatra verschollen. Und hatte dort ein Kind, von dem niemand etwas wusste.«
    »Wahrscheinlich hat sie einen reichen Plantagenbesitzer getroffen. Früher gab es davon haufenweise auf der Insel.«
    »Aber das würde doch kein Verschwinden rechtfertigen! Nein, ich glaube, es gab einen anderen Grund. Den möchte ich herausfinden und auch, warum die Geige, die sie besessen hat, in die Hände einer anderen Violinistin geraten ist, die ebenfalls auf Sumatra geboren wurde.«
    »Das klingt ungemein spannend. Da tut es mir fast leid, dass ich nicht Geschichte studiert habe.«
    »Was machen Sie denn beruflich?«, fragte Lilly und bemerkte, dass ihre Scheu allmählich schwand. Irgendwie hatte er etwas Vertraueneinflößendes, das allerdings besser zur Geltung kommen würde, wäre er nicht so direkt.
    »Ich bin Zahnarzt.«
    »Zahnarzt?« Lilly hätte alles erwartet, aber nicht das.
    »Keine Angst, ich habe mein Besteck zu Hause gelassen«, witzelte er. »Ich bin ganz privat unterwegs und habe nicht vor, hier irgendwem einen Zahn zu ziehen. Es sei denn, Sie wollen das unbedingt.«
    »Ich denke, Sie haben Ihr Besteck nicht mit.«
    »Ach, da lässt sich bestimmt was arrangieren.« Verheugen lachte auf. »Aber Sie haben recht, das habe ich nicht wirklich vor. Ich genieße lieber die Schönheit des Landes.«
    Im nächsten Augenblick erfolgte der Aufruf der Maschine.
    »Ich glaube, wir müssen«, sagte Verheugen fröhlich. »Was meinen Sie, ob Ihr Sitznachbar mit mir tauscht?«
    »Unwahrscheinlich«, entgegnete Lilly lächelnd. »Aber Sie können Ihr Glück ja mal versuchen.«
    Natürlich tauschte Lillys Sitznachbar nicht, und auch im nächsten Flugzeug hatten sie Pech. Lilly wusste nicht so recht, ob sie darüber traurig oder froh sein sollte. Der Niederländer war humorvoll und hatte sicher einige Anekdoten auf Lager. Aber seine Art war ihr dann doch etwas zu direkt.
    So genoss sie den stillen indonesischen Geschäftsmann ­neben sich, der irgendeine einheimische Zeitung las, und studierte ihren Reiseführer.
    Der Minangkabau-Airport wurde beim Tsunami im Jahr 2004 weitestgehend zerstört und danach im Stil traditioneller Inselbauten wieder aufgebaut, las sie dort, dann reckte sie den Hals in Richtung Fenster.
    Es hatte in dem schmalen Buch geheißen, dass man die weitläufigen Palmenhaine der Insel bereits beim Anflug sehen könnte. Doch die Insel lag unter einer dicken Dunst­glocke. Nur vereinzelt ragten ein paar grüne Bergspitzen aus

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