Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
etwas über die Vorbesitzerinnen meiner Geige.«
    »Gut, treffen wir uns morgen um zehn vor Ihrem Hotel? Ich bleibe auch nur so lange bei Ihnen, wie Sie mich brauchen. Wenn ich Ihnen lästig werde, sagen Sie einfach Bescheid.«
    »In Ordnung«, entgegnete sie und reichte ihm die Hand. Der Zahnarzt lächelte, dann begaben sie sich nach draußen, wo die Transfertaxis warteten.

22
    Padang 1910
    Helen rannte, als gelte es, einer wütenden Hundemeute zu entkommen. Ihre Mutter hatte sich später als erwartet zu ­ihrem täglichen Rundgang verabschiedet, und auch das Dienstmädchen wollte nicht von Helens Seite weichen. Aber schließlich war sie frei und konnte nach oben laufen, um den Geigenkasten zu holen. Vollkommen aus der Puste erreichte sie die Hecke und gönnte sich ein paar Augenblicke zum Verschnaufen, bevor sie dann über das Nachbargehöft zum Pavillon schlich.
    Mit Herzklopfen und der Geige unter ihrem Arm öffnete sie vorsichtig die Tür und atmete erleichtert auf, als sie in dem staubigen Lichtstrahl, der durch die Fenster fiel, die Gestalt in dem blauen Kleid sah. Jetzt waren ihre Lippen wieder rosig, und sie wirkte auch sehr ruhig, als das Mädchen durch die Tür trat. Während sie gewartet hatte, hatte sie etwas in ein Heft geschrieben, das sie nun eilig beiseitelegte.
    »Da bist du ja!«, sagte sie erfreut und streckte die Hand aus, um Helen über die Wange zu streicheln.
    »Tut mir leid, ich bin nicht eher weggekommen«, entschuldigte Helen sich, denn sie wusste, dass sie einige Minuten zu spät war.
    »Ist schon in Ordnung. Der Pavillon ist recht nett, schön geschützt vor den Blicken der Leute auf der Straße. Und mittlerweile weiß ich auch ganz genau, dass in dem Haus niemand wohnt. Wir werden also nicht gestört.«
    Damit nahm sie Helen den Geigenkoffer ab und öffnete ihn. Als sie mit dem Finger sanft über die Saiten streichelte, trat ein wehmütiger Ausdruck in ihren Blick. Es war so, als würde sie das Bild einer Freundin betrachten, die schon vor vielen Jahren gestorben war. Helen hatte mal beobachtet, wie ihre Mutter das Bild ihrer Schwester angesehen hatte, die schon seit einigen Jahren tot war. Genauso blickte sie dann auch immer, und wenig später wandte sie sich ab, um sich verschämt mit einem Taschentuch ein paar Tränen von den Wangen zu wischen.
    Die Frau allerdings weinte nicht, sie hob die Geige vor­sichtig aus dem Koffer.
    »Hast du schon mal versucht, sie anzulegen?«, fragte sie. »Weißt du, wie du sie halten musst?«
    Helen schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe mich nicht getraut.«
    »Aber angesehen hast du die Geige doch bestimmt, oder?«
    »Ja, natürlich!«, antwortete Helen.
    »Und wie findest du sie?«
    »Sie ist wunderschön!«
    »Hast du denn die Rose auf ihrem Rücken auch gesehen?«
    Helen nickte eifrig. Gleich nachdem ihre Mutter sie allein gelassen hatte, war sie in ihr Zimmer gehuscht und hatte die Geige in Augenschein genommen. So etwas Schönes hatte sie zuvor noch nie gesehen. Allein schon, als sie das lackierte Holz so vorsichtig berührte, als könnte es unter ihrer Fingerkuppe zerfallen, wusste sie, dass dies das Instrument war, das sie gern spielen wollte.
    »Gut, dann brauche ich dir das nicht mehr zu zeigen.«
    »Woher hat die Geige denn die Rose? Hat sie jemand draufgemalt?«
    »Nein, Liebes, diese Rose ist in das Holz gebrannt worden von dem Menschen, der sie gebaut hat. Er wollte sie wohl besonders hübsch machen. Glücklicherweise hat das auf den Klang keine Auswirkungen.«
    »Kannst du sie einmal spielen, damit ich weiß, wie sie sich anhört?«, fragte Helen, worauf die Frau zögerte. Doch dann nickte sie, legte sich die Geige unter ihre linke Kinnseite und begann, mit dem Bogen darüberzustreichen. Obwohl sie vorhatte, nicht allzu laut zu spielen, tönte die Melodie kraftvoll durch den Pavillon. Allerdings nicht einmal eine Minute lang, dann setzte sie den Bogen wieder ab. »Das muss leider fürs Erste reichen.«
    Helen strahlte sie an. »Das war sehr schön! Werde ich auch mal so spielen können?«
    Die Frau lächelte sie breit an. »Ich hoffe, du wirst noch wesentlich besser spielen als ich. Aber fangen wir erst einmal mit der Haltung an.«
    Sie ließ Helen die Geige genauso anlegen, wie sie es selbst getan hatte – nur mit dem Unterschied, dass sie den Bogen nicht aufsetzen durfte, sondern in der Schwebe über den Saiten halten musste. Das fiel Helen zunächst schwer, aber sie versuchte es so lange, bis die Frau zufrieden war.
    »Was ist

Weitere Kostenlose Bücher