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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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eingebläut hatte, dankte sie mit ruhigen und gewählten Worten, obwohl in ihr alles danach schrie, jubelnd aus dem Raum zu laufen und sich einfach nur zu freuen, dass sie so gut gespielt hatte wie nie zuvor. Das brauchte ihr niemand zu sagen, sie wusste es einfach.
    Die Aufmerksamkeit des Gouverneurs zog auch die der anderen Männer an. Breit lächelnd oder sie wie ein Pferd auf dem Markt musternd traten sie auf sie zu, während hinter ­ihnen ihre Gattinnen mit säuerlichen Mienen zurückblieben. Rose war dergleichen gewohnt, angenehm war es ihr aber nie. Doch einen hätte sie gern ein wenig näher kennengelernt.
    Vergeblich suchte Rose nach dem Sonnenmann. Hatte ihm ihr Vortrag nicht gefallen? Gehörte er zu den Gefühl­losen, wie sie sie nannte? Oder war er zu schüchtern, um sich wie die anderen beinahe schamlos an sie heranzudrängen?
    Angesichts der sich immer mehr um sie scharenden Bewunderer blieb Rose schließlich nur noch die Flucht. Unter dem Vorwand, ihre Garderobe aufsuchen zu müssen, weil ihr ein wenig unwohl war, entschuldigte sie sich, doch sie hatte nicht vor, in das Zimmer zu Mai und möglicherweise auch Carmichael zurückzukehren.
    Von ihrem Garderobenfenster aus hatte sie einen guten Blick auf den Garten gehabt – welcher Ort wäre besser geeignet, sich ein wenig abzukühlen und den Auftritt zu reflek­tieren? Sie huschte also an den Gästen vorbei, ignorierte die säuerlichen Blicke einiger älterer Damen und erreichte schließlich den Gang. Dort traf sie ein Dienstmädchen, das eine Schale Obst vor sich hertrug.
    »Entschuldige, wie komme ich raus in den Garten?«, fragte sie auf Malaiisch, worauf das Mädchen sie mit großen Augen ansah. Rose war klar, dass man ihr die Herkunft mütter­licherseits kaum ansah, mit ihrer hellen Haut galt sie bei den Einheimischen als Europäerin. Umso überraschter war ihr Gegenüber, wenn es hörte, dass sie akzentfrei in der Landessprache redete.
    »Ich meine, wie kommt man hier raus, ohne durch die Gäste zu müssen«, setzte Rose mit einem verschwörerischen Lächeln hinzu, das das Mädchen nicht weniger verwirrte als ihre Sprachkenntnisse.
    Doch es zeigte ihr nun bereitwillig den Weg, der sie den Gang hinunter in Richtung Küche führte. Der warme Speisedunst, der ihr entgegenströmte, ließ ihren Magen trotz der Küchlein, die sie am Nachmittag gegessen hatte, knurren. Als ihr ein anderes Dienstmädchen mit einem Tablett Pas­teten entgegenkam, schnappte sie sich kurzerhand eine und verschwand dann durch eine kleine Hintertür, hinter ­deren Fenster sie mondbeschienene Baumkronen ausgemacht hatte.
    Der warme Windhauch, der sie draußen umfing, entlockte ihr ein wohliges Seufzen. Die feuchte Luft war erfüllt von dem vertrauten süßen Geruch nach Frangipani, Orchideen und Jasmin. Zwischen den hoch aufragenden Palmen, die auf dem Gelände wuchsen, leuchtete eine sattgelbe, im Wachsen begriffene Mondsichel. Das Licht, das aus den Fenstern der Residenz fiel, zerrte hier und da einen Zweig leuchtender Blüten aus der Dunkelheit.
    Nachdem Rose die Pastete verzehrt hatte, schritt sie weiter und ließ zu, dass die Eindrücke des Gartens, seine Süße und seine von der Dunkelheit verschleierte Farbenpracht langsam in sie hineinsickerten.
    Je weiter sie sich vom Haus entfernte, desto klarer wurden die natürlichen Geräusche ringsherum. In den Bäumen und Sträuchern raschelte es, hin und wieder schwang sich ein Nachtvogel mit schnellem Flügelschlag in die Lüfte. In der Ferne schickten die Affen ihre Rufe durch die Nacht. Dazwischen raunte der warme Nachtwind. Die Melodie ihrer Heimat. Wie lange hatte sie diese nicht mehr gehört!
    Während die Kiesel unter ihren Schuhen knirschten, ­überlegte sie, ob es möglich wäre, all diese Eindrücke in ein Mu­sik­stück zu fassen. Vivaldi hatte es geschafft, die Vogelstimmen des Frühlings, die Trägheit des Sommers, das Umherwirbeln der Blätter im Herbst und das klirrende Eis des Winters mit Tönen darzustellen. Warum sollte ihr das nicht gelingen? Alles, was sie dazu brauchte, war Zeit und einen Ort, an dem sie ungestört von den Menschen den Noten in ihrem Kopf nachspüren konnte.
    Auf einer kleinen Terrasse, von der aus man in Richtung Meer und auf die Stadt Padang schauen konnte, blieb sie schließlich stehen. Das Wasser war ein schmaler, dunkler Streifen, das Mondlicht noch nicht stark genug, um die Fluten mit einem silbrigen Glanz zu überziehen.
    Leuchtfeuer wiesen den Schiffen weithin sichtbar den Weg,

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