Der Mondscheingarten
entfernten.
»Du weißt, dass mir solche Anlässe nur so lange liegen, wie ich spiele. Ich mag es nicht besonders gern, wie eine Rinderhälfte auf dem Markt begafft zu werden. Außerdem schickt es sich nicht, sich dem Gastgeber aufzudrängen, nur weil man von ihm engagiert wurde.«
»Und dein Engländer hat dich nicht begafft?«
»Das ist etwas vollkommen anderes.« Nur schwerlich konnte Rose den Ärger, der in ihr aufwallte, unterdrücken. Was mischte sich Carmichael eigentlich ein? Sie hatte mit dem Mann gesprochen, das war alles. Morgen würde sie abreisen.
»Nun gut, wie du meinst. Auf jeden Fall habe ich eine gute Nachricht für dich, auch wenn du dich von der feiernden Gesellschaft fernhältst. Van Swieten hat mich gebeten, dich zu fragen, ob du noch eine Weile in Padang bleiben möchtest – als berühmte Tochter der Stadt und für einige Konzerte, die er für dich organisieren möchte.«
»Ich brauche keinen Mäzen für irgendwelche Auftritte.«
»Wirklich nicht?« Carmichael zog die Augenbrauen hoch. »Du musst zugeben, dass es doch sehr angenehm wäre, Konzerte spielen zu können, bei denen man nicht um die Zuschauerzahl bangen muss.«
»Als ob wir uns über fehlende Zuschauer beklagen könnten.« Rose schnaubte verächtlich und fragte sich, ob ihr Agent zu tief ins Glas geschaut hatte. »Das Konzert in Surabaja war hervorragend besucht.«
»Das war es tatsächlich, und wir hoffen ja, dass diese Glückssträhne noch lange anhält. Aber es würde nicht schaden, wenn ein einflussreicher Mann wie der Gouverneur zu deinen Bekannten, ja vielleicht zu deinen Freunden zählen würde. Dass er auf dieser Insel herrscht, bedeutet nicht, dass er nicht auch Kontakte nach Europa hat.«
»Auch mit Europa hatten wir keine Schwierigkeiten, was die Engagements anbelangt.«
»Aber das wird eines Tages vielleicht vorbei sein. Noch sehen alle in dir den aufgehenden Stern, doch irgendwann hast du deine maximale Höhe erreicht. Und dann müssen wir dafür sorgen, dass du so lange wie möglich leuchtest und nicht gleich wieder vom Himmel fällst. Überheblichkeit hat noch niemandem etwas gebracht, und noch schädlicher ist es, angebotene Hände auszuschlagen – auch wenn man auf dem Weg nach oben ist. Ich halte es jedenfalls für eine gute Idee, noch eine Weile hierzubleiben und van Swietens Angebot anzunehmen. Soweit ich weiß, leben deine Eltern doch hier. Warum besuchst du sie nicht zwischen den Engagements?«
Daran hatte Rose bereits gedacht und sich vorgenommen, vor ihrer Abreise am nächsten Tag ihre Mutter aufzusuchen. Da sie sehr spät angekommen waren, hatte sie vorher nicht die Zeit dazu gehabt. Außerdem bestand dann die Möglichkeit, Paul Havenden noch einmal wiederzusehen.
»Einverstanden«, sagte sie also. »Wir bleiben ein Weilchen hier, und ich spiele die Konzerte.«
Carmichael lächelte breit. »Du wirst es nicht bereuen. Allerdings werde ich dich jetzt bitten müssen, mitzukommen und van Swieten die freudige Nachricht selbst mitzuteilen. Er wird begeistert sein!«
Bei ihrer Rückkehr aus dem Garten wurde Rose von den Gästen erneut eindringlich gemustert. Van Swieten erwartete sie im Kreis zahlreicher Männer.
»Ah, da ist ja unsere musikalische Sensation!«, rief er aus und reichte einem Diener, der lautlos neben ihm aufgetaucht war, sein Glas. »Ich dachte schon, Sie hätten die Flucht ergriffen.«
Das hatte sie tatsächlich, aber nun setzte Rose ihr herausforderndes Lächeln auf. »Es tut mir leid, wenn Sie diesen Eindruck gewonnen haben«, antwortete sie auf Niederländisch. »Nach meinen Konzerten bin ich immer so aufgewühlt, dass ich einen Moment brauche, um mich wieder zu fassen und mein Spiel zu reflektieren.« Sie konnte den Männern ansehen, dass keiner so recht wusste, was sie damit meinte. »Sie haben wirklich einen wunderbaren Garten, Mijnheer van Swieten!«
»Jetzt machen Sie mich ganz verlegen«, entgegnete er lachend. »Eigentlich halte ich ihn nicht für besonders gelungen und dringend verbesserungswürdig. In England haben Sie sicher viel schönere Gärten gesehen.«
»Da muss ich Ihnen widersprechen, Ihr Garten kann es mit jedem englischen Garten aufnehmen, allein schon deswegen, weil es hier nicht so neblig ist und man sich ganzjährig an Blüten erfreuen kann.«
Van Swietens Blick ruhte einen Moment auf ihr, dann bot er ihr seinen Arm an und führte sie auf die Terrasse. »Sie sind ein sehr außergewöhnliches musikalisches Talent und Tochter meines Landes. Und deshalb
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