Der Mondscheingarten
mich in die Welt des einheimischen Puppenspiels entführt, jetzt möchte ich Sie in den Dschungel entführen. Es ist nur ein Ausritt, nichts weiter. Und es wäre möglich, dass Sie sich auf der Plantage ein wenig amüsieren, denn sie soll auch über einen sehr weitläufigen Garten verfügen.«
So nahe er ihr jetzt war, so eindringlich, wie er sie jetzt ansah, konnte Rose nicht anders. »Also gut, ich begleite Sie. Allerdings werde ich in dieser Woche noch einige Konzerte spielen müssen.«
»Geben Sie mir einfach Bescheid, wenn es Ihnen passt, ich werde mein Vorhaben danach ausrichten. Dafür müssen Sie mir versprechen, dass Sie mich beim kleinsten Anzeichen, dass ein Tiger auftaucht, in Sicherheit bringen.«
»Ich glaube kaum, dass ein Tiger auftauchen wird«, entgegnete Rose. »Sie sind sehr scheu, und obwohl ich als Kind im Dschungel herumgelaufen bin, meist entgegen dem Verbot meines Vaters, habe ich doch nie einen zu Gesicht bekommen. Sie sehen, ich könnte Sie nicht einmal warnen.«
»Dann werde ich wohl für unsere Sicherheit sorgen.«
Auf einmal waren ihre Gesichter so dicht voreinander, dass nur eine kleine Bewegung genügt hätte, um sich zu küssen. Doch Rose meinte plötzlich, einen Blick auf sich zu spüren, und zog sich zurück. Als sie sich zur Seite wandte, erblickte sie einen Mann, den sie nicht kannte, der sie allerdings ein wenig brüskiert ansah.
»Ich sollte jetzt wirklich gehen«, sagte Rose, griff nach dem Geigenkasten und verschwand damit in Richtung Garderobe.
Als Paul an diesem Abend in sein Hotel zurückkehrte, fühlte er sich zutiefst verwirrt. Noch immer hatte er Roses Duft in der Nase, noch immer meinte er, ihre Hand in seinen Händen zu spüren. Auch wenn er wusste, dass es nicht sein durfte, fühlte er, dass er bei der Heirat mit Maggie einen Fehler begangen hatte.
Wie konnte so etwas in so kurzer Zeit angehen?
Verwirrten die Tropen vielleicht seine Sinne? Setzte ihm die Wärme zu?
Nein, er war sicher, dass Rose ihm auch in London aufgefallen wäre. Besonders dort, denn in den grauen Straßen und zwischen all den steifen Konventionen würde sie wie eine Orchidee im Gras wirken.
Durfte er diese Blume für sich beanspruchen? Wahrscheinlich würde es einen gewaltigen Skandal geben, wenn er das Ansinnen, sich scheiden zu lassen, auch nur kundtat. Nicht einmal seine tolerante Mutter würde dafür Verständnis haben. Von Maggie und seinen Schwiegereltern ganz zu schweigen. Er würde in London zum Geächteten werden, mit dem niemand, der auf seinen Ruf bedacht war, verkehren wollte …
Erhitzt riss sich Paul die Krawatte vom Hals und schleuderte sie auf das Sofa, das leer war, denn Maggie hatte sich bereits schlafen gelegt. Sicher hätte sie ihn zu dem Konzert begleitet, aber er hatte ihr erzählt, dass er zu einem Treffen mit Investoren wollte, bei dem sie sich nur langweilen würde. Sie hatte ihm geglaubt und war im Hotel geblieben, während er sich abgesetzt hatte.
Ein wenig schämte er sich dafür, dass er sie angelogen hatte – und er schämte sich auch dafür, dass er mittlerweile eine ziemliche Abneigung für sie empfand, wenn er sie auf dem Sofa liegen sah. Wahrscheinlich würde sie auf dem Schiff nach Hause wieder putzmunter sein.
Schwer ließ sich Paul auf das Sofa fallen. Was sollte er nun tun? Weitermachen wie bisher, seine immer stärker werdende Leidenschaft zügeln und mit Maggie in die Heimat zurückkehren?
Oder das tun, was sein Herz verlangte? Rose für sich gewinnen, sich scheiden lassen und mit seiner neuen Frau glücklich sein. Das klang alles so einfach …
Doch was, wenn sie nicht wollte? Er spürte, dass sie ihm zugeneigt war, aber reichte das aus, um seinen Antrag anzunehmen? Oder sollte er besser damit warten, bis er wirklich geschieden war? Wollte er sich überhaupt wirklich scheiden lassen? Noch nie hatte ihn eine größere Verwirrung heimgesucht!
Da ihm der Kopf schmerzte, erhob er sich und ging ins Badezimmer. Dort ließ er sich Wasser in eine Schüssel und tauchte seinen Kopf hinein. Das Wasser war nicht so kalt, wie es nötig gewesen wäre, doch er spürte, wie sich seine Adern verengten und der Schmerz ein wenig nachließ.
»Geht es dir nicht gut?«, fragte Maggie plötzlich hinter ihm, worauf er erschrocken in die Höhe schnellte. Sie hatte sich ihren Morgenmantel über das Nachthemd geworfen, ihr Haar fiel lose über die Schultern.
So, wie sie jetzt dastand, hätte er sonst ein tiefes Begehren verspürt – doch jetzt fühlte er nichts.
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