Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist
einer besonders instabilen Stelle lastete, jedenfalls gab plötzlich der Boden unter mir nach, und ich stürzte in einem reißenden Strom aus Erde und Steinen herab, verlor bei meinem hilflosen Fall die Lampe und überschlug mich ein paarmal, bis ich äußerst unsanft auf dem Hintern zur Ruhe kam.
Zum Glück hatte auch die Lampe den Sturz überstanden; sie lag nur ein paar Fuß weiter weg auf der Seite. Ich hob sie auf und hielt sie so hoch, wie ich den Arm ausstrecken konnte, aber ich entdeckte keine Öffnung oder auch nur einen Hinweis auf eine; sie war hinter mir eingestürzt, und die Oberfläche des Einsturzes sah zum Verzweifeln gleichförmig in ihrem schroffen Aussehen aus – ich konnte nicht sagen, von wo ich gekommen war.
Ich schritt die ganze Wand ab, untersuchte beklommen ihreerdigen Seiten und entdeckte nichts, das Aufschluss über meinen Standort hätte geben können. Ich war eingeschlossen.
Einen Moment lang wäre ich vor Entsetzen fast in Ohnmacht gefallen. Meine Gefährten waren weit weg auf der anderen Seite dieser unüberwindbaren Querwand. Es gab keine Möglichkeit, meine Notlage zu signalisieren, und Rettung mochte stundenlang nicht kommen, falls überhaupt, denn jetzt stand ich zwischen dieser lastenden Wand und dem, was immer sich auf meiner Seite davon befand – und ich wusste , was sich auf meiner Seite befand.
Ruhig Blut jetzt, Will! , sagte ich mir. Ruhig Blut! Was würde der Doktor dich machen lassen? Denk nach! Zurückgehen kannst du nicht. Selbst wenn du die Stelle finden würdest, wo du durchgebrochen bist, bist du doch ein ganzes Stück nach unten gefallen, und wie willst du wieder hochkommen? Dir bleibt keine Wahl; du wirst darauf warten müssen, dass sie dich retten.
Was war das? Hörte ich etwa, wie sich hinter mir etwas an mich heranschlich? Ein kratzendes Geräusch, ein Fauchen oder ein Schnauben? Ich wirbelte herum, und die Lampe schaukelte wie verrückt in meiner zitternden Hand, während ich mit der anderen ungeschickt nach dem Revolver des Doktors suchte. Ein Schatten bewegte sich links von mir, und ich schwenkte den Revolver in die Richtung und drückte reflexhaft ab und zuckte zusammen in Erwartung des Knalls, der ausblieb: Ich hatte vergessen, die Waffe zu entsichern. Und dann, was meinen Ärger noch vergrößerte, erkannte ich, dass der springende Schatten mein eigener war, den die Lampe geworfen hatte, als ich mich umgedreht hatte.
Ich atmete tief durch und senkte den Revolver. Um meine blank liegenden Nerven zu beruhigen, rief ich mir meinen Triumph unter der Plattform ins Gedächtnis – wie ich den jungen Anthropophagen praktisch mit bloßen Händen ins Jenseits befördert hatte – und schlurfte vorwärts und blinzelte in die Düsterkeit.
Ich befand mich in einem Raum von ungefähr der gleichenGröße wie die Fütterungsgrube. Kleine Knochen – Stücke zertrümmerter Rippen, ein paar Zahnsplitter und andere Splitter und Fragmente, die unmöglich zu identifizieren waren – lagen überall auf dem Boden herum, obschon nicht in derselben Hülle und Fülle, wie sie im ersten Raum anzutreffen waren. Der Boden selbst war hart wie Zement, festgepresst vom Trampeln ihrer enormen Füße über einen Zeitraum von zwanzig Jahren hinweg. Über den ganzen Raum verstreut – ich zählte insgesamt siebzehn – waren riesenhafte, nestförmige Erdwälle von gut und gern acht Fuß Durchmesser, die seltsam mehrfarbig waren und schimmerten, als wären sie mit Diamanten überkrustet. Bei näherer Prüfung entdeckte ich den Grund für ihr sonderbares Aussehen: Die Nester waren aus eng miteinander verwobenen Kleiderstreifen gemacht, Blusen, Hemden, Hosen, Strümpfe, Röcke, Unterwäsche. Die merkwürdig glitzernden Lichtpunkte waren von der Reflexion meiner Lampe auf Diamantringen und Zifferblättern von Armbanduhren, Trauringen und Halsketten, Ohrringen und Armbändern erzeugt worden – kurz gesagt, von fast jeder Art von Schmuck, mit der wir Menschen uns gern behängen. Wie die Indianer der Great Plains mit ihren Bisons, ließen auch die Anthropophagen nichts umkommen; sie hatten ihre Nester aus der Kleidung ihrer Opfer angefertigt. Ich stellte mir vor, wie sie die auf dem Boden herumliegenden Knochenfragmente dazu benutzten, um sich unsere Fleischreste aus den Zähnen herauszuklauben.
Ein Schnauben erklang in der Dunkelheit hinter mir. Ich schwang die Waffe herum, aber nichts sprang mich aus dem Schatten an, keine Bestie richtete sich in einem Nest zu voller,
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