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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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furchteinflößender Größe auf. Ich hielt den Atem an und sperrte Ohren und Augen auf, bis ich, auch wenn ich keine Bewegung sah, die Richtung, aus der das rhythmische Keuchen kam, identifizierte. Der Vergleich mag unter diesen Umständen absurd sein, aber für meine Ohren klang es wie die schnellen Atemzüge eines schnarchenden Säuglings.
    Ich folgte dem Geräusch, indem ich vorwärtsglitt, ohne dieFüße zu heben, um nicht auf einen Knochen zu treten und dadurch das, was mich da erwartete, von meiner Anwesenheit in Kenntnis zu setzen. Das Schnaufen führte mich auf die andere Seite des Baus zu einem Hügel, der sich an die Wand schmiegte. Langsam hob ich die Lampe, um über den Rand zu spähen.
    In der schüsselförmigen Lagerstatt lag ein junger, männlicher Anthropophage, überraschend – wenigstens für mich – und beinahe komisch klein, vielleicht nur zwei oder drei Zoll größer als ich, wenn auch gut und gern zirka fünfzig Pfund schwerer. Die übergroßen Augen, die in seinen Schultern saßen, waren nicht geschlossen in seinem unruhigen Schlummer, denn die Geschöpfe besitzen keine Augenlider, vielmehr schimmerte ein milchig weißer Film, ein Protolid, feucht über den obsidianschwarzen Augäpfeln. Sein footballgroßes Maul stand offen und enthüllte die dreieckigen Zähne: die kleineren, die sich im vorderen Rachenraum drängten, zum Zupacken, und das undurchdringliche Dickicht der größeren Reiß- und Schneidezähne, das dicht dahinter wucherte.
    Das Jungtier zuckte im Schlaf. Träumte es, und was für scheußliche Träume haben sie überhaupt? Ich könnte eine Vermutung wagen. Seine ruckartigen Bewegungen mochten auch ein Symptom von etwas anderem als einem Traum gewesen sein, denn ihm fehlte ein Vorderarm; das knotige Fleisch um seinen rechten Ellbogen herum war eine einzige geschwollene Infektionsmasse. Irgendwie war er schwer verwundet worden, und ich entsann mich des bizarren Bindungsrituals dieser Spezies wieder, bei dem sie sich gegenseitig tief in den Rachen fassen, um sich die Zähne sauber zu kratzen. Hatte er so seinen Arm verloren? Ein Ausrutschen seiner Kralle, und das Maul des Älteren war zugeschnappt, hatte das Gelenk entzweigerissen und dann den abgetrennten Arm unzerkaut hinuntergeschluckt?
    Die Wunde sonderte gelblichen Eiter ab; es war offensichtlich, dass das Geschöpf litt und vielleicht nicht einmal schlief. Wahrscheinlicher war es in einen deliriösen Zustand gefallenund augenblicklich nicht bei vollem Bewusstsein. Die normalerweise farblose Haut war rot vor Fieber und glänzte vor Schweiß. Der Anthropophage lag im Sterben.
    Das erklärt es , dachte ich, während ich vor seinem Nest kniete und ihn mit morbider Faszination betrachtete. Weshalb sie ihn verlassen hat. Er wäre eine nutzlose Last für sie.
    Ich muss gestehen, dass meine Gefühle gemischt waren. Ich hatte die Grausamkeit dieser Monster aus erster Hand erlebt, hatte gesehen, zu welcher Zerstörung sie fähig waren, wäre sogar beinah selbst ihrem heißhungrigen Wüten zum Opfer gefallen. Und dennoch … und dennoch. Leiden bleibt trotzdem Leiden, egal welche Art von Organismus leidet, und dieser spezielle hier litt sehr, das war klar. Ein Teil von mir war abgestoßen. Und ein Teil war ergriffen von tiefem Mitleid für seinen bedauernswerten Zustand – ein viel kleinerer Teil, sicher, aber nichtsdestoweniger ein Teil.
    Ich konnte ihn nicht im Stich lassen; ich konnte ihn nicht seinen Qualen überlassen. Praktisch gesehen wäre es auch unklug gewesen, denn was wäre, wenn er wach würde und zu schreien begönne, was seine Mutter an seine Seite und zu meinem sicheren Tod rufen könnte? Ich wusste nicht, wohin sie die anderen gebracht hatte, ob sie in einem geheimen Vorraum bloß ein Dutzend Yards entfernt lag oder ob sie sich in das tiefste Loch ihres unterirdischen Baus zurückgezogen hatte. Und meine Einfühlsamkeit, so sonderbar und unnatürlich sie auch sein mochte, zwang mich dazu, den Qualen der Kreatur ein Ende zu bereiten.
    Also beugte ich mich vor, bis ich mit dem Bauch den Nestrand streifte, und richtete den Revolver des Doktors auf seine Leistengegend, auf einen Punkt knapp unter der sabbernden Unterlippe. Erst viel später kam mir in den Sinn, dass das Geräusch des Schusses jeden wimmernden Schrei, den der sterbende Anthropophage hätte hervorbringen können, bei Weitem überstiegen hätte. Nicht nah genug , entschied ich. Ich wollte es schnell und sicher tun, also ging ich mit dem Lauf bisauf einen

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