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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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quietschten. Ich warf einen schnellen Blick nach oben auf den Doktor, der das Pferd anstarrte, die Arme schlaff an den Seiten hängend, das ganze Wesen auf das Unbehagen des Tieres konzentriert.
    »Etwas hat ihr einen Schrecken eingejagt«, sagte Erasmus.
    »Still!«, hauchte der Doktor. Langsam schwenkte er auf dem Absatz herum und ließ seinen Blick forschend über die Anlage und den Pfad schweifen, der sich durch die Grabsteine schlängelte, die wie schimmernde Wächter im Sternenlicht dastanden, bis er, den Rücken uns zugekehrt, innehielt und angestrengt in die Dunkelheit in Richtung der Bäume spähte. Einen langen, schrecklichen Moment lang war, bis auf die leisen Proteste der alten Bess und das Aufstampfen ihrer Hufe auf dem Pfad, nicht der geringste Laut zu hören. Der Doktor hob die linke Hand, ließ die Finger spielen, die Schultern vor Angespanntheit durchgedrückt, und ein schreckliches Gefühl der Vorahnung überkam mich. Ein paar weitere Sekunden schleppten sich dahin, während derer die Unruhe des Tieres wuchs, korrespondierend mit meiner eigenen.
    Und dann, unmittelbar auf diese gespenstische Stille, kam von den Bäumen das Zischen.
    Tief. Rhythmisch. Schwach. Nicht von einer bestimmten Stelle, sondern von vielen. Waren es Echos – oder Antworten? Nicht anhaltend, sondern sporadisch: ssss  … Pause … ssss  … Pause … ssssss  …
    Der Doktor drehte den Kopf herum und sah mich über die Schulter hinweg an. »Will Henry«, flüsterte er. »Hast du daran gedacht, die Sprengtöpfe mit Schießpulver zu füllen?«
    »Ja, Sir«, flüsterte ich zurück.
    »Geh sie sofort holen! Leise, Will Henry«, warnte er mich ruhig, als ich mich aus dem Loch stemmte. Er ließ die Hand in die Tasche seines Mantels gleiten, in die er seinen Revolver gesteckt hatte.
    »Ich habe meine Büchse in der Karre gelassen«, sagte Erasmus. »Ich werde die Töpfe holen gehen. Der Junge sollte –«
    »Nein! Bleiben Sie, wo Sie sind! Geh, Will Henry. Bring so viele, wie du tragen kannst.«
    »Und mein Gewehr, wenn du es schaffst, Will!«, sagte Erasmus mit zitternder Stimme. Ich hörte ihn eindringlich auf den Doktor einflüstern: »Wir sollten nicht bleiben, keiner von uns! Wir kommen wieder, wenn es hell ist, um sie zurückzubringen. ’s ist Wahnsinn, in dieser höllischen Finsternis –«
    Der Doktor fuhr ihm schroff über den Mund. Seine Worte konnte ich nicht verstehen, aber des Wesentlichen seiner Erwiderung war ich mir sicher. Im Licht der folgenden Ereignisse forderte seine sture Weigerung, dem Befehl unseres grundlegendsten Instinkts, den er als »den Feind« charakterisierte, zu folgen, einen schrecklichen Preis. Es gibt Momente, da ist die Furcht nicht unser Feind. Es gibt Momente, wo die Furcht unser aufrichtigster, manchmal einziger Freund ist.
    Ich kippte den Inhalt des Sacks auf den Boden der Karre und packte dann die Töpfe – vier Blechzylinder, etwa so groß wie Kaffeedosen, gefüllt mit Schießpulver – wieder hinein. Bess drehte den Kopf in meine Richtung und wieherte laut, ein mitleiderregender, flehender Schrei, die Pferdeentsprechung der dringenden Bitte ihres Herrn: Wir sollten nicht bleiben, keiner von uns! So dringend mein Botengang auch war, ich hielt inne, um ihrem glatten Hals ein schnelles, tröstendes Tätscheln zukommen zu lassen. Dann zurück zur Grabstelle, den Sackleinensack in der einen Hand, Erasmus’ Büchse in der andern. Wie lang kam mir diese Rückreise zu dem halb ausgehobenen Loch vor! Und doch erschien es mir bei meiner Ankunft, als sei keine Zeit verstrichen. Erasmus kauerte immer noch im Loch, der Doktor stand immer noch am selben Fleck daneben, und die Fackel flackerte in ihrem behelfsmäßigen Ständer einen Fuß links von ihm und malte mit ihrem Licht seinen langen, schlaksigen Schatten auf die freie Fläche. Erasmus packte den Lauf des Gewehrs, zog es mir aus der Hand und ging wie ein Soldat im Schützengraben in Deckung, sodass nur noch der obere Teil seines Kopfs über dem Rand des Lochs herausragte.
    Das Zischen hatte aufgehört. Es herrschte jetzt Stille, die nur vom Angstschnauben des alten Pferds durchbrochen wurde. Wenn es durchging, wie würden wir uns dann behelfen? Wenn sie angriffen, wenn wir weniger Kugeln als Bestien hatten, wie könnten wir einem Monster davonlaufen, das sich mit einem einzigen Satz vierzig Fuß weit katapultieren konnte?
    Die Minuten verrannen. Die Nacht war ruhig. Schließlich rief Erasmus leise aus seiner Zufluchtsstätte: »Sie

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