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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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schwieligen Hand auf die Schulter. »Lass uns fix machen, wie dein Herr sagt, William Henry! Viele Hände machen der Arbeit schnell ein Ende!«
    Zwanzig Minuten später, als mir Kreuz und Schultern wehtaten, das zarte Fleisch meiner Handteller brannte und wir unserem Ziel erst drei Fuß näher gekommen waren, glaubte ich, ich könnte mich auf eine Diskussion über sein Sprichwort einlassen, denn vier Hände schienen unter diesen Umständen nicht so viele, und ich konnte mich auch an Arbeiten erinnern, die schneller zu Ende gegangen waren. Die Erde von New Jerusalem ist, wie meistens in Neuengland, steinig und unnachgiebig, und obwohl es in der Nacht zuvor von Erasmus Gray auf der Suche nach makabren Reichtümern umgegraben worden war, gab das Erdreich von Eliza Buntons Grab sich unseren Spaten nur widerspenstig geschlagen. Während ich mich abmühte, dachte ich an das riesige Anthropophagen-Männchen, das, ohne ein anderes Werkzeug als seine stahlharten Krallen, es irgendwie geschafft hatte, sich einen Tunnel durch den harten Boden zu graben, um seine Beute zu erreichen. Wie der Doktor fand auch ich es äußerst merkwürdig, dass wir keine Beweise für sein Eindringen entdeckten und dass Erasmus behauptete, auch keine in der Nacht davor entdeckt zu haben. Konnten sie dem alten Mann in der Dunkelheit entgangen sein? Waren sie ihm in seiner Gier nach Beute schlichtweg nicht aufgefallen, und hatte er sie dann in seiner Eile, mit seinem monströsen Fund den unheimlichen Ort zu verlassen, unabsichtlich vernichtet?
    Wir konnten Dr. Warthrop fünfzig Yards weiter weg in den Bäumen hören, wie er durch das Unterholz und die verrottende Laubschicht vom letzten Herbst stampfte, das Geräuschhie und da durchsetzt mit leisen, unverständlichen Rufen der Bestürzung, deren erster Erasmus Gray veranlasste, beunruhigt den Kopf zu heben, zweifellos weil er dachte, der Doktor habe ein lebendiges Exemplar der Spezies gefunden, deren Vertreter in unserem Keller hing – oder sei von ihm gefunden worden. Aber dies waren keine Angst- oder Panikschreie, versicherte ich dem alten Mann; es waren die Stoßseufzer des Goldsuchers, dessen Sieb immer wieder leer hochkommt.
    Bald kam der Doktor zurück, ließ sich in äußerster Niedergeschlagenheit neben unserem tiefer werdenden Loch hinplumpsen und stieß den Fackelstiel in den Erdhügel daneben. Er zog die Knie an die Brust, schlang die langen Arme darum und blickte mit der Miene eines Mannes, der einen unersetzlichen Verlust erlitten hat, bedrückt in unsere erhobenen, schweißüberströmten Gesichter.
    »Nun? Haben Sie was gefunden, Doktor?«, fragte Erasmus Gray.
    »Nichts!«, blaffte der Doktor.
    Erasmus Gray war offensichtlich erleichtert und der Doktor, ebenso offensichtlich, nicht.
    »Es widersetzt sich jeder Logik«, sagte der Doktor zu niemand Besonderem. »Es zerrinnt im Angesicht der Vernunft. Sie sind keine Phantome oder Gestaltwandler. Sie können nicht wie Elfen über den Boden schweben oder sich von einem Ort zum anderen astralprojizieren. Er muss sie gefunden haben, indem er seinen feinen Geruchssinn eingesetzt hat, und der wird gebraucht, indem er über das Gelände krabbelt, und dennoch gibt es nirgends Anzeichen dafür, dass er vorbeigekommen wäre.« Ein Pflock befand sich in Reichweite; er griff hinüber, riss ihn aus der Erde und ließ ihn in seinen geschickten, feingliedrigen Fingern kreisen. »Er hätte ein Atemloch gelassen, dennoch gibt es kein Atemloch. Er hätte eine Fährte hinterlassen, dennoch gibt es nicht einmal einen einzigen geknickten Grashalm.«
    Sein Blick fiel auf unsere emporgereckten Gesichter. Erstarrte auf uns herab; wir starrten zu ihm hoch; und einen Moment lang sprach keiner.
    »Na, hört mal, was in Gottes Namen macht ihr da? Grabt. Grabt!«
    Er stand auf und schleuderte in seiner Frustration die Fackel in Richtung der Baumreihe, wo die tiefen Schatten sie mit einem gedämpften, knisternden Knacken abgebrochener Äste und abgefallener Blätter verschluckten.
    Von dem kleinen, zerfahrenen Pfad hinter uns kam ein Schnauben und Schnaufen, und sämtliche Köpfe drehten sich, um dem Geräusch zu folgen. Das alte Pferd stampfte mit flatternden Nüstern und verdrehten Augen mit den Vorderbeinen auf und gab ein tiefes Wiehern von sich.
    »Was gibt’s, alte Bess?«, rief Erasmus leise. »Was ist los?«
    Das Tier senkte den Kopf, streckte den dürren Hals nach vorn und scharrte auf dem harten Boden. Die alte Karre knarrte und die klapprigen Räder

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