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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Stoß mich auf den Rücken schleuderte und nur der schmiegsame Leichnam Eliza Buntons meinen Kopf davor bewahrte, auf den groben Brettern aufzuplatzen. Ich setzte mich auf und sah, dass die alte Mähre zwischen zwei mächtige Ahornbäume gerast war; ihr war die Passage geglückt, der Karre jedoch nicht. Wir waren eingeklemmt.
    Dr. Warthrop reagierte sofort; er sprang über den Sitz neben mich auf die Ladefläche. Die Anthropophagen waren jetzt noch hundert Fuß entfernt, ich konnte sie riechen , ein Geruch anders als jeder, der mir je untergekommen war, ein ungesunder Geruch, den ich höchstens mit dem verfaulten Obstes vergleichen kann.
    »Aus dem Weg, Will Henry!«, rief der Doktor. Ich rutschte auf dem Hintern rückwärts auf den vorderen Teil der Karre zu. Er schob die Arme unter die Schultern der Leiche des jungen Mädchens, und mit einem Brüllen, das so primordial war wie die Wesen, die sich uns schnell näherten, wuchtete er sie von der Karre. Mit einem übelkeiterregenden Laut schlug das tote Gewicht auf dem Boden auf.
    »Das Geschirr!«, schrie er. »Mach das Geschirr auf, Will Henry!«
    Ich begriff, was er vorhatte, sprang über den Sitz und landete neben dem sich bis zum Äußersten ins Zeug legenden Pferd auf dem Boden. Das arme Tier war verrückt vor Angst, rollte mit den Augen und blähte die Nüstern; schäumender Speichel tropfte ihm vom Maul. Von der anderen Seite senkte sich eine Gestalt auf es herab, und ich stieß unwillkürlich einenSchrei aus, aber es war der Doktor, der sich daranmachte, die Schnallen auf der anderen Seite zu öffnen.
    »Will Henry!«, rief er.
    »Fertig!«, rief ich zurück.
    Er schwang sich aufs Pferd, schob die Hand unter die Achselhöhle meines ausgestreckten Arms und zog mich hinter sich auf Bess’ Rücken. Das Tier bedurfte keines Ansporns unsererseits: Es sprang vorwärts, jetzt von der sicheren Hand des Doktors gelenkt, auf den peripheren Weg zu, der uns zu den Friedhofstoren und der Straße dahinter bringen würde. Einmal drehte ich mich um, nur ein Mal, und wandte mich dann ab und presste die Wange gegen den Rücken des Doktors, schloss die Augen, während ich mich an seiner Taille festklammerte, und zwang mich zu ignorieren, was ich mit diesem letzten, flüchtigen Blick zurück gesehen hatte.
    Das verzweifelte Gambit des Doktors hatte sich ausgezahlt: Das Rudel hatte die Verfolgung aufgegeben und die Leiche attackiert, die sie jetzt in so heißhungriger Raserei zerfetzten, dass die geschredderten weißen Leinenstücke durch die Luft flogen, während sie ihr Arme, Beine, Kopf vom Rumpf rissen und sich große Fleischbrocken in die schnappenden Mäuler stopften. Das Letzte, was ich sah, bevor ich das Gesicht im Mantel des Doktors verbarg, waren Elizas üppige dunkle Locken, die aus dem Rachen einer der Bestien hingen.
    Zu den Haupttoren … und durch sie hindurch. Auf die Old Hill Cemetery Road … und dann Richtung New Jerusalem. Bess fiel von Galopp über Trab in einen erschöpften, hufenachschleifenden Schritt mit hängendem Kopf und rutschigem, schweißdunklen Widerrist. Gemeinsam mit ihr legten auch wir unsere Nervosität ab, in einer Stille, die nach unserer wahnsinnigen Flucht dröhnend war, und die einzigen Worte des Doktors, an die ich mich erinnern kann auf unserem langen Ritt nach Hause in jener Nacht, waren diese:
    »Tja, Will Henry. Es scheint, ich muss meine ursprüngliche Hypothese noch einmal überdenken.«

VIER
    »Es wird allmählich spät«

    Nach unserer Rückkehr zum Haus in der Harrington Lane schickte mich der Doktor nach oben, um mir Gesicht und Hände zu waschen und mir etwas Sauberes anzuziehen; ich war von den Fußsohlen bis zum Scheitel mit Dreck und Abfällen bedeckt und meine rechte Gesichtshälfte mit getrocknetem Blut, Schädelfragmenten und grauen Gehirnstückchen tätowiert, die Erasmus Gray mehr als sechzig Jahre lang mit Leben erfüllt hatten. Steinchen und kleine Zweige fielen aus meinen wirren Haaren ins Becken und verstopften den Abfluss, der sich schnell mit Wasser füllte, das sein Blut zartrosa färbte. Mit einer Grimasse steckte ich die Hand in das verunreinigte Wasser, um den Abfluss frei zu machen, wobei eine morbide Neugierde mein jugendliches Auge auf die grauen Kleckse lenkte, die auf der Oberfläche schwammen. Es war weniger Entsetzen als vielmehr Verwunderung, was meine Fantasie erregte: sechzig Jahre voller Träume und Wünsche, Hunger und Hoffnung, Liebe und Sehnsucht, weggepustet in einem einzigen explosiven

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